Wolfgang Knabe.©Klaus Schultes |
Seit 2008 der portugiesische Indiensegler Bom Jesus an der namibischen Küste entdeckt worden war, arbeitet Wolfgang Knabe zusammen mit dem südafrikanischen Archäologen Dr. Dieter Noli an der Entschlüsselung und Aufarbeitung der Ladung. Die Ergebnisse haben sie im 2012 erschienenen Buch „Die versunkenen Schätze der Bom Jesus“ publiziert.
Wolfgang Knabe und Dieter Noli bei der Untersuchung der Kupferladung. © E. Knabe |
Ein Berg Kupferhalbkugeln mit Teil einer Kanone von der Bom Jesus. © Dieter Noli |
Marexpedi: Das Wrack der Bom Jesus ist zwar in vielerlei Hinsicht einzigartig, dennoch reiht es sich ja in eine Reihe von Funden ein, wie beispielsweise dem Fuggerschiff, das 1587 nahe den Seychellen gestrandet war, oder das 1607 in der Mündung des Tejo untergegangene „Pepper Wreck“ das Filipe Vieira de Castro ausgiebig untersucht und dokumentiert hat. Und möglicherweise könnten Sie noch das eine oder andere mehr nennen. Welchen Stellenwert nimmt die Bom Jesus in dieser Reihe hinsichtlich der Aussagekraft und des Erkenntnisgewinns ein?
Knabe: Das an den Amiranten 1587 gesunkene ‚Fuggerschiff‘ ist ja leider den Schatzsuchern zum Opfer gefallen und auch die ungünstige Lage des Wracks hat hier einen größeren Erkenntnisgewinn verhindert. Das von Filipe Castro untersuchte ‚Pepper Wreck‘ ist mit der Bom Jesus nur insofern vergleichbar, als auch dieses von Schatzsuchern nicht geplündert worden war. Beide Schiffe sind allerdings späteren Datums – und ein halbes Jahrhundert später bedeutet nicht nur eine weiterentwickelte Schiffbaukonstruktion, sondern auch eine veränderte Warenpalette sowohl im Export- wie im Importgeschäft. Insofern ist die Bom Jesus in diesem Zeitfenster des beginnenden Welthandels bislang ein Unikat.
Marexpedi: Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass Sie das Schiff als begehbares Museum wiedererstehen lassen möchten, mit all den Waren, die gefunden worden sind, die man rekonstruieren oder als Leihgaben ausstellen könnte. Zwei Probleme scheinen das Projekt in Frage zu stellen. Da ist – wie Sie es formulierten – im Augsburger Raum kein Grundstück verfügbar, was für mich eigentlich eher nach einem gewissen Desinteresse in der Region klingt. Da ist zum anderen die Namibische Regierung, die bereits im Juni 2012 erklärte, dass sie keines der Artefakte an wen auch immer herauszugeben beabsichtigt. Hat sich inzwischen in irgendeiner Hinsicht etwas bewegt?
Das Mercateum in Form eines Globus mit der aufgedruckten Weltkarte von Diego Ribero von 1529. © Andreas Eser |
Kupferhalbkugeln am Fundort. © Dieter Noli |
Knabe: Lassen Sie mich dazu ein Beispiel geben: Im Jahre 2003 hatte ich auf einer Insel der Tuamotus im Südost-Pazifik, diverse Eisenwerkzeuge ausgegraben und nach Papeete, Tahiti, gebracht. Die Funde stammen, wie sich später an einem Eisenbarren erhärtet hat, augenscheinlich von der San Lesmes, einem 1526 in diesem Seegebiet verschollenen Segler, der damals von dem Handelshaus Fugger ausgerüstet worden war. Als ich im Jahr darauf von den Behörden in Papeete die Genehmigung bekam, ein Kalfateisen zur weiteren Untersuchung nach München auszuführen, war dieses, da von den Verantwortlichen nur in einem Karton gelagert, bereits zum größten Teil zerfallen. Dies ist ein chemischer Prozess, der in dem Moment einsetzt, wo Artefakte, nach 5 Jahrhunderten dem Salzwasser entrissen, nicht SOFORT fachgerecht konserviert werden. Auf Namibia übertragen lässt sich die Frage somit einfach beantworten, was mit den - teils hoch zerbrechlichen - Funden wohl passiert ist, die 2008 ausgegraben und nachweisbar bis Ende 2009, aber sicherlich noch weit länger, nicht fachgerecht gelagert worden sind ? Einfach in Kisten packen, reicht nicht. Bildlich formuliert: Man kann nicht eine Forelle aus dem Bach ziehen, sie auf den Küchentisch legen, dort monatelang liegen lassen, sie dann einfrieren und behaupten, sie sei frisch wie gerade geangelt. Überdauern werden die Edelmetalle und die Montanwaren. Verschwunden sind mit Sicherheit bereits Gravuren, Handelsmarken und wohl auch die meisten der fragilen Artefakte, die wir in unserem Buch dokumentiert und beschrieben haben. Dass ein Fußteil in einem Schuh nicht überdauert, ist Naturgesetz. Was hätte man allein daraus an Erkenntnissen gewinnen können – vom Alter dieser Person, über Daten zur Gesundheit, Ernährung, Herkunft usf.
Blick in den Laderaum der Bom Jesus. Modell 1:50. © Knabe / Peter Hoppe |
Knabe: Der Schutzumschlag war die Entscheidung des Verlages, auf die wir keine Einwirkung hatten. Unser Vorschlag für den Schutzumschlag war die im Buch abgebildete Zeichnung vom Untergang der Bom Jesus, die vielleicht etwas brav auf dem Umschlag gewirkt hätte. Von der Bom Jesus haben wir inzwischen eine 1:50 Rekonstruktion bauen lassen, die sich auf die Ergebnisse der portugiesischen Forschungen und auf Bilddokumente von Naõs aus diesem Zeitraum stützt sowie auf die Daten, die Dieter Noli vor Ort von den Wrackteilen erhoben hat.
Marexpedi: Haben Sie neben dem Museumsprojekt noch weitere Pläne, sei es im Bereich Forschung, sei es hinsichtlich Publikationen oder gar weitere Reisen?
Knabe: Neben dem Museumsprojekt haben wir die Untersuchung eines Schiffes der von Jakob Fugger ausgerüsteten Pazifikflotte von 1525 im Focus. Es liegt am Außenriff einer Insel der nördlichen Molukken in 38 Metern Tiefe und ist aufgrund seiner Lage bislang augenscheinlich nicht ausgeplündert worden. In diesem Projekt arbeiten wir mit französischen Kollegen zusammen – aber auch Dieter Noli wird als Experte der Bom Jesus das Forschungsteam bereichern.
Das Interview führte Wolfgang Schwerdt
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