Der lange
Weg zum internationalen Flaggencode
Prächtige
Flaggen und Wimpel schmücken die Galeeren, Kriegs- und Handelssegler auf den
maritimen Gemälden der vergangenen Jahrhunderte. Dabei handelt es sich bei der
spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Flaggenpracht bereits um Vorläufer des
Signalwesens. Position, Farben und Gestaltung des flatternden Tuches oft
gewaltiger Ausmaße hatten durchaus eine Bedeutung für den kundigen Betrachter.
Bis zum ausgeklügelten internationalen Codesystem dieser Tage war es jedoch ein
weiter und mühsamer Weg, den Detlef Hechtel in seinem Buch Signale der Seefahrt beschreibt.
Kommunikation
zur See war und ist nicht nur wichtig, um in Kriegszeiten Freund und Feind
unterscheiden zu können. Die Bewegungen der einzelnen Schiffe von Kriegsflotten
oder Handelskonvois müssen aufeinander abgestimmt werden, taktische Anweisungen
gegeben oder Informationen über Position, Beobachtungen, Wetter, Kurse und
vieles mehr ausgetauscht werden. Und selbstverständlich ist es bei der
Begegnung auf See oder beim Anlaufen von Häfen wichtig zu wissen, mit wem man
es beim Gegenüber zu tun hat. Die Mittel
zur Kommunikation waren vor den Segnungen der elektronischen Medien durchaus
beschränkt. Und so nimmt es kein Wunder, dass die oben beschriebene
Flaggenpracht zunächst vor allem der Herkunftskennzeichnung und Identifizierung
des jeweiligen Schiffes diente. Kommunikation innerhalb eines Schiffsverbandes
beschränkte sich dabei vor allem im Vermitteln einfacher Anweisungen durch das
Führungsschiff. Das geschah beinahe buchstäblich mit Pauken und Trompeten, also
neben optischen wie Flaggen, Laternen oder Spiegeln auch akustischen Signalen
wie Kanonen oder Gewehrschüssen, Trompeten oder schlichtweg Rufen.
Vom Kommando zum komplexen
Informationsaustausch
Mit der „Eroberung
der Weltmeere“ durch die europäischen Seemächte stiegen die Anforderungen an
die Kommunikation auf See. Die Konkurrenz der Seemächte um die globalen Ressourcen
verhinderte jedoch auf lange Zeit die Entwicklung einer gemeinsamen
Signalsprache. Die einzelnen Nationen, allen voran die Holländer und Briten,
begannen jedoch mit zunehmenden und sich verändernden Anforderungen recht
komplexe flaggenbasierte Kommunikationscodes zu ersinnen, die nach und nach die
bislang für die jeweilige Reise erstellten speziellen Kurs- und
Kommunikationsanweisungen ablösten. Waren die Verständigungsmechanismen zunächst
noch recht einseitiger Natur – der Admiral erteilte seinen Kapitänen Befehle –
entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts hochkomplexe nationale Signalcodesysteme
auf deren Basis Tausende komplexer Informationen über Fragen und Antworten ausgetauscht
werden konnten. Persönlichkeiten wie John Pasco, Capitain F. Marryat, Watson,
Captain Rhode oder Reynold haben in diesem Zusammenhang auf dem Weg zum internationalen
Signalcode Geschichte geschrieben.
Seefahrtsgeschichte mit besonderen Aspekten
Detlef
Hechtel gibt in seinem Buch einen spannenden Abriss des langen Wegs zum
internationalen Flaggencode, dessen Etablierung eng verknüpft war mit dem Kampf
um die maritime Vorherrschaft und den Anforderungen einer globalen Wirtschaft. Bei
diesem Thema, das viel mit penibler Systematik, Matrizen und Verschlüsselungstechniken
zu tun hat, ist es eigentlich nicht leicht, den Spannungsbogen über die gesamte
Länge der Abhandlung zu halten. Hechtel gelingt dies jedoch mit Bravour. Dabei
hilft ihm nicht nur seine sprachlich-stilistische Kompetenz, sondern auch die
Tatsache, dass er die Entwicklung des Signalwesens mit den sich ständig
verändernden Anforderungen der globalisierten Seefahrt verbindet. Da spielt das
Spannungsfeld zwischen militärischer und ziviler Anwendung, der Notwendigkeit
der Verschlüsselung bei gleichzeitiger allgemeiner Verständlichkeit oder die Veränderung
der Informationsansprüche im Rahmen der ökonomischen Globalisierung eine Rolle.
Insofern erhält der Leser mit diesem Buch eine schön aufbereitete Geschichte
der Seefahrt unter dem besonderen Aspekt des Signalwesens und taucht dabei auf
spezielle Weise in die Kulturgeschichte der frühneuzeitlichen und neuzeitlichen
Schifffahrt ein.
Faszination der Signalcodes
Wer nach der
Lektüre des Buches auf einem Hafenfest die über die Toppen geflaggten
Großsegler bewundert, dürfte nicht nur von Segelschiffsromantik träumen,
sondern auch mit gehörigem Respekt an die außerordentlichen Leistungen der
Signalgasten denken. Die mussten immerhin binnen kürzester Zeit beispielsweise
nach dem 1857 veröffentlichten Signalbuch „International Code of Signals“ aus
18 Flaggen (und diversen Ergänzungssätzen) nicht nur die richtigen Codes für
insgesamt 70.000 möglichen Nachrichten zusammenstellen, sie mussten in ebenso
kurzer Zeit natürlich die entsprechend codierten Nachrichten und Antworten anderer
Schiffe entziffern können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen