Erlebnisse
eines Kaufmanns aus Florenz
Francesco
Carletti, ein Kaufmann aus Florenz unternahm im Jahre 1594 eine Reise zu den
Kapverdischen Inseln, die ihn schließlich um die ganze Welt führen sollte. Über
Kolumbien, Peru und Mexiko gelangte er, immer auf der Suche nach profitablen
Handelsmöglichkeiten, schließlich zu den Philippinen. Er besuchte Japan und
China, um schließlich über Malakka, Goa und das Kap der Guten Hoffnung nach
Europa zuzurückzusegeln. Geschäftlich war die Reise ein Desaster, durch seine
Beschreibungen von Land und Leuten, hat er der Nachwelt in Form seiner
Reiseerzählungen allerdings ein eindrucksvolles und aufschlussreiches
historisches Dokument hinterlassen. Das hebt sich nicht nur durch seinen
Blickwinkel auf spannende Weise von den bei uns wesentlich bekannteren
Reisetagebüchern der Entdecker und Eroberer der frühen Neuzeit ab.
Bereits der Beginn der Reise liest sich ein wenig wie ein historischer Wirtschaftskrimi. Ausländern war es nämlich nicht erlaubt, auf eigene Rechnung und mit eigenen Schiffen Indien- oder Amerikahandel zu betreiben. Schließlich war die Welt unter den beiden iberischen Mächten aufgeteilt. So mieteten Vater und Sohn Carletti ein spanisches Schiff und versahen ihre Handelswaren mit Hilfe einer nach Sevilla eingeheirateten Pisanerin mit falschen Papieren. Um der Kontrolle der spanischen Behörden standzuhalten, heuerte Carletti Junior als Matrose gewissermaßen auf dem eigenen Schiff an, sein Vater gelangte als blinder Passagier an Bord.
Undercover in eigener Mission
Gerade einmal
72 Jahre nachdem die Victoria der Flotte Magellans mit ihrer Rückkehr nach Sanlúcar
am 6. September des Jahres 1522 die erste Erdumrundung vollendet hatte, spannte
sich bereits ein globales Verkehrs- und Handelsnetznetz über den Erdball. Es
ist faszinierend zu lesen, wie der Kaufmann aus Florenz die von den Iberen
eifersüchtig vor der europäischen Konkurrenz gehüteten und doch miteinander
verknüpften Seehandelsrouten und Strukturen zu nutzen verstand, die jeweiligen
Preise, Handelsspannen, Vorschriften, Gebühren und Absatzmärkte studierte, um
an den lukrativen Kolonialgeschäften der im 16. Jahrhundert vorherrschenden
Seemächte teilzuhaben. Und während es Carletti tatsächlich gelang, unter den
Augen der Spanier und Portugiesen seine mehr oder weniger verdeckten Geschäfte
zu betreiben, machten ihm am Ende ausgerechnet die aufstrebenden Holländer
seinen geschäftlichen Erfolg streitig. Die Kaperten bei St Helena das
portugiesische Schiff, mit dem Carletti nach dem Tod seines Vaters in Macao
über das Kap der Guten Hoffnung nach Europa zurückkehren wollte.
Vom Sklavenhandel bis zum Geheimnis der
Trinkschokolade
So landete
der Kaufmann in den Niederlanden, wo er in jahrelangen Prozessen versuchte,
seine konfiszierten Waren zurückzuerhalten. Dabei versicherte er sich der
Unterstützung des Großherzogs Ferdinand de Medici, dem er, 1606 nahezu
mittellos nach Florenz zurückgekehrt, ausführlich über seine Reise Bericht
erstattete. Dieser Bericht, auf dem das vorliegende Buch basiert, gibt dem
Leser einen lebendigen Eindruck von den Mühsalen frühneuzeitlicher Reisen aber
auch dem europäischen und indigenen Leben in der Neuen Welt. Immer auf der
Suche nach besonderen Waren und Handelsmöglichkeiten zeigte Carletti eine für
die damalige Zeit erstaunlich unvoreingenommene Beobachtungsgabe. So berichtet
er über indigene Sexualpraktiken auf den Philippinen, die martialische Kultur
Japans, beschreibt genüsslich die Herstellung von Trinkschokolade in
Mittelamerika oder schwärmt von der heilenden Wirkung des Tabaks. Sogar Asthma,
so die damalige Meinung, sollte das Tabakrauchen heilen und verhüten. Während sich
Carletti vom Kakao geradezu begeistert zeigt, kann er dem Tabakgenuss allerdings
nichts abgewinnen.
Einer der schönsten Reiseberichte der
frühen Neuzeit
Exotische
Früchte, menschenverachtender Sklavenhandel, Klima, Parasiten, Logistik, Tier-
und Pflanzenwelt, Kulturen, Kochrezepte: Einfach alles schien den florentiner
Handelsreisenden zu interessieren. Und sicher wäre der unterhaltsam verfasste Bericht
noch umfangreicher ausgefallen, wenn die Notizen Carlettis nicht im Rahmen der
Kaperung durch die Holländer verlorengegangen wären. So hat der Kaufmann seine
Erlebnisse, wie er betont, aus dem Gedächtnis rekonstruiert und sie dort, wo er
keine persönlichen Erfahrungen gewinnen konnte, wie beispielsweise im Innern
Chinas, um Informationen aus Büchern ergänzt. Reise um die Welt ist
unterhaltsam und informativ gleichermaßen und gehört für mich zu einem der
schönsten Reiseberichte der frühen Neuzeit.
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