Mit Band 1
von OCEANUM, dem jährlich erscheinenden maritimen Magazin bringt der
gleichnamige Verlag eine neue Publikationsreihe auf den Markt. Im Editorial
heißt es, dass hier Nostalgie auf Gegenwart trifft, historische Themen ebenso
wie junge Entwicklungen und aktuelle Trends ihren Platz finden werden. Ob
OCEANUM neben dem traditionellen maritimen Jahrbuch, Köhlers Flottenkalender, seinen
Platz im Markt dieser Art der maritimen Literatur wird finden können, muss sich
noch herausstellen. Derzeit ist es aus verschiedenen Gründen noch zu früh, hierzu
eine seriöse Einschätzung abzugeben. Interessant ist das Erscheinen des neuen
maritimen Magazins allemal.
Nach
Editorial und Inhaltsverzeichnis beginnt das Magazin mit attraktiven doppelseitigen
Bildimpressionen. Das letzte dieser Bilder bietet den Blick von der Brücke des
Z5 der Bundesmarine auf den gischtüberströmten Bug, der sich in die mäßig
schwere See bohrt. Mit diesem Eindruck steckt der Leser bereits in der ersten Geschichte,
der des Zerstörers USS Dyson, der zu den sechs Veteranen der legendären
Fletcherklasse gehörte, die vom ehemaligen Kriegsgegner USA an die im Aufbau befindliche
Bundesmarine übergeben wurde. Ein gewisser
Rolf Michel war Mitglied der ersten Besatzung des Schiffes, sein Vater
Ralf Michel war an Bord, als es an Griechenland abgegeben und außer Dienst
gestellt wurde. 22 Jahre hatte die Z5 ihren Dienst in der Bundesmarine
geleistet und diese Zeit wird durch die persönlichen Berichte und Eindrücke der
beiden Seeleute wieder ein wenig zum Leben erweckt. Daneben recht ausführliche
Informationen zur Geschichte der Fletcherklasse, deren ältester Vertreter bis
zu seinem Ende immerhin rund 60 Jahre auf dem Buckel hatte. Und natürlich fehlt
auch die Vita der USS Dyson nicht, die für ihre hervorragenden Leistungen im
Pazifikkrieg 1945 mit elf Battle Stars ausgezeichnet wurde.
Spannende Geschichten aus den 50ern und
60ern
Der folgende
Beitrag „Brandgefahr auf Ostseefähren?“ ist dann eher technischer Natur,
zweifellos sehr interessant und informativ, bleibt aber die Antwort auf die etwas
unglückliche Überschrift schuldig. Ebenfalls recht technisch aber thematisch
originell ist die Geschichte des Gezeitenrechners der DDR und auch die Story
über die Tradition des Tätowierens birgt so manche Überraschung. Überhaupt sind
die Themen generell gut gewählt, und oft interessante Erlebnisberichte von
Zeitgenossen, so auch die Geschichte „Mit der Moselstein in Shanghai“ in der der
verstorbene Kapitän Eberhard Nölke die geradezu kafkaesken Besonderheiten bei
der Abfertigung eines Schiffes im Shanghai der 50er und 60er Jahre. Nicht nur
dieser Beitrag hat mit „Der Kapitän und seine Offiziere“ seine Quelle in einer
Publikation des Oceanum-Verlages.
Havarien, Skandale und maritime Highlights
Tatsächlich hat
die erste Ausgabe des Magazins seine inhaltlichen Schwerpunkte in der Vergangenheit.
Etwa wenn über die Flottenbesuche der DDR-Marine im Ausland berichtet, das Ende
der legendären Hanseatic behandelt wird, spektakuläre Schiffsunglücke
aufgegriffen werden oder beispielsweise die Geschichten der Deutschen
Hilfskreuzer im zweiten Weltkrieg beschrieben werden. An Vieles erinnert sich
der ältere Schiffsliebhaber noch, wie zum Beispiel an die unsäglichen
Konstruktionsfehler bei der U-Boot-Klasse 202 oder auch die Reise des seegängigen
Modellschiffs Bremen IV nach New York und anderes mehr. Trotzdem wird in den
Aufsätzen nicht nur die Erinnerung mobilisiert und Bekanntes wiedergekäut,
sondern durchaus auch neuere oder tiefergehende Informationen geliefert.
Guter Start, aber auch noch ein wenig Luft
nach oben
Inhaltlich
präsentiert sich das neue Magazin also hinsichtlich der Themen und ihrer
Aufarbeitung, vor allem bei den historischen Themen als recht gelungen. Die
versprochenen jungen Entwicklungen und aktuellen Trends sind derzeit noch
verhältnismäßig sparsam vertreten und bislang wohl auch inhaltlich noch nicht so
ganz die Stärke des Autorenteams. Auch bei der Magazinstruktur und der
Typografie/Layout ist sicher noch ein wenig Luft nach oben. Grundsätzlich aber
ein spannendes Projekt, das einerseits das programmatische Spektrum des
Verlages wiedergibt es andererseits aber auch ergänzt. Es scheint so, dass sich
der Verlag publizistisch ein wenig breiter aufstellen möchte als es bisher der
Fall war. Dazu dürfte auch die in Zusammenhang mit dem Magazin angekündigte
OCEANUM Dokumentation dienen, die für das Frühjahr 2017 mit dem ersten Band „Vom
Decksjungen zum Matrosen“, Lebenserinnerungen von Wolfgang Bendick, angekündigt
ist. Insgesamt sicher kein schlechter Start des Projektes.
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