Sonntag, 4. September 2016

Vier Entdeckungsreisen zum Polarmeer

Henry Hudsons Reiseberichte von der Suche nach der Nordpassage

Mit seinen Entdeckungsreisen hat Henry Hudson die Grundlage für die Gründung Nieuw Amsterdams und die mächtige Hudson Bay Companie gelegt. Dennoch ist über die Person des vermutlich englischstämmigen Seefahrers kaum etwas bekannt. Selbst die Berichte über seine vier Expeditionen zur Suche nördlicher Passagen nach Asien stammen nur teilweise aus seiner Feder. Und so beginnen die schriftlichen Dokumente von und über Henry Hudson im Jahre 1607 mit seiner ersten Reise im Dienste der englischen Muscovy Company. 1611 enden die Lebensspuren des Seefahrers mit der Meuterei, bei der Hudson zusammen mit loyalen Mannschaftsmitgliedern und einem seiner Söhne in der Hudson Bay in einem Boot ausgesetzt wurden. Vier Entdeckungsreisen zum Polarmeer geben die Originalberichte der Reisen erstmals in Deutscher Übertragung wieder.

Gerade vor diesem Hintergrund ist das Vorwort von Andreas Obenaus von besonderem Interesse. Hier erfährt der Leser nicht nur einen Abriss der Geschichte der frühen englischen Atlantikerkundungen und der Suche einer nördlichen Passage nach Asien. Hier werden auch die Reisen Hudsons beschrieben, die nicht an die nordamerikanische Atlantikküste führten. So führte die Route der ersten Reise 1607 im Auftrag der Muscovy Company über die Shetlands nach Grönland, dann Richtung Nordost nach Spitzbergen und schließlich auf dem Rückweg an der Bäreninsel und den Faröer vorbei zurück nach England.

Hudson auf der Suche nach der Nordostpassage

Auch die zweite Reise, ebenfalls im Auftrag der Muscovy Company, deren Interessen neben dem Seeweg nach Asien in Handelsbeziehungen mit Russland lagen, führten Hudson mit seinem 40 Tonnen-Schiffchen Hope-well und einem guten Dutzend Besatzung nach Nordosten. Ziel war es nun, eine eisfreie Passage zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja zu finden. Die Expedition blieb auch diesmal erfolglos. Und hatte man 1607 immerhin den 80sten Breitengrad erreicht, kam Hudson 1608 über 75° nördlicher Breite nicht hinaus. Hudson musste sich für seine Expeditionen notgedrungen neue Finanziers suchen. Die fand er schließlich 1609 in der Vereinigten Ostindischen Kompagnie, die ihn damit beauftragte, wiederum eine Nordostpassage über Nowaja Semlja zu erforschen.

Hudsons Drang nach Westen

Dichtes Treibeis machte auch diesen Versuch zunichte und Hudson entschloss sich gegen den Vertrag nun den Atlantik zu überqueren. Hier segelte er die amerikanische Küste Richtung Süden ab, bis er die Mündung des nach ihm benannten Hudsonriver erreichte und diesen auf einer Länge von rund 250 Kilometern erkundete, bevor er statt nach Holland, nach England zurückkehrte. 1610 fanden sich hier in Form führender Mitglieder der East India Company neue Investoren, mit denen Hudson sich auf die Suche nach einer Nordostpassage einigte. Hudson sollte an den Entdeckungen des Engländers John Davis anknüpfen, der 1585 bis 1587 die Region um Grönland, den Cumberland Sound der Baffininsel, die Davisstraße und nicht zuletzt die Baffin Bay erforschte.

Ausgesetzt und verschollen: Henry Hudsons letzte Reise

Hudson steuerte die Meeresenge (heute Hudsonstraße) zwischen der Baffininsel und Labrador an und erreichte die nach ihm benannte Bucht. Nach einer Überwinterung kam es schließlich im Juni 1611 zu der folgenschweren Meuterei. Tatsächlich schien Hudson, wenn  man den Reiseberichten Glauben schenkt, bereits auf den ersten Reisen Schwierigkeiten mit der Mannschaft gehabt zu haben. Und so ist die Lektüre der Originalberichte eine wenn auch von verschiedenen Interessen geprägte und subjektiv gefärbte Quelle, die nicht nur Aufschluss über die Schwierigkeiten der Navigation und den harten natürlichen Bedingungen gibt. Der Leser bekommt auch ein Gefühl für die fragilen Machtverhältnisse und Intrigen an Bord der Schiffe jener Zeit. Die Rolle des Kapitäns als „Master next God“ ist in den ersten Jahrhunderten des europäischen Zeitalters der Entdeckungen noch längst nicht Realität.

Reiseberichte und historischer Krimi

Die in Vier Entdeckungsreisen zum Polarmeer publizierten Reiseberichte stellen sowohl vor dem Hintergrund der zahlreichen Verfasser als auch der Meuterei und ihrer Darstellung durch die Überlebenden ein recht ungewöhnliches Zeitdokument dar. Insofern ist die Lektüre neben den interessanten maritimen Aspekten auch so etwas wie ein historischer Krimi, in dem Zeugen, Täter und Betroffene zu Wort kommen.

Henry Hudson: Vier Entdeckungsreisen zum Polarmeer. Edition Erdmann 2016. Gebunden mit Schutzumschlag, 206 Seiten. 

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