lange musste
die Öffentlichkeit auf die Publikation zur Archäologie des weltweit ersten
Fundes eines mit einem Heckruder versehenen Frachtschiffes des Mittelalters
warten. Beinahe wäre sie auch nicht zustande gekommen, denn sowohl bei der
Bergung als auch der Konservierung des einzigartigen Fundes sind gravierende
Pannen passiert, die die wissenschaftliche Aussagekraft des sogenannten
Schlachte-Schiffes erheblich schmälern. Die Informationen, die die
Fundfragmente dennoch hergeben, sind es jedoch Wert, publiziert zu werden. Und
auch die Beschreibung der Fehler, Pannen und ungünstigen Begleitumstände bei
Bergung und Konservation machen den Band 76 der Schriften des Deutschen
Schifffahrtsmuseums zu einer wichtigen Publikation nicht nur zum Thema Kogge
und mittelalterliche Schifffahrt sondern auch zum Thema Archäologie.
Es war ein aufwändiges Tiefbauprojekt an der Schlachte, das sowohl zur teilweisen Zerstörung als auch zur eher zufälligen Entdeckung des bedeutenden Fundes aus der Zeit um 1100 geführt hat. Beim Setzen der Stahlträger und Spundwände für zwei Caissons, die bis in eine Tiefe von 14 Metern unter Straßenniveau vorgetrieben wurden, war trotz Warnung der Landesarchäologie bereits Holz in unbekannter Menge zermalmt worden. Beim anschließenden Ausbaggern des Caissons 1 kamen zahlreiche Holzstücke zutage, die wie Grabungsmeister Carl Christian von Fick vermutete, von alten, durch die Weser zusammengespülte Reste mehrerer Schiffe stammten. Am 16. Juli 1991 kam es dann zu einem Bruch der Spundwand in Schacht 1. dabei lösten sich Holzteile aus der Wand und ein mächtiger Spant und schließlich die Bug-oder Heckpartie eines kieloben liegenden größeren Schiffes wurde sichtbar.
Entdeckung, Bergung und Konservierung mit
Pleiten, Pech und Pannen
Schnell war
klar, dass man es mit dem „Missing Link“ der Kogge-Entwicklung zu tun hatte,
eine Bergung des Schiffes aus archäologischer Sicht zwingend. Und dann ging es
natürlich ums Geld, um Personal und wirtschaftliche und politische Interessen.
Ergebnis: Es wurde letztlich nur das vom Caisson abgeschnittene Hecksegment und
eine Reihe von beiliegenden Fundstücken zweifelhafter Zuordnung geborgen und zur
Konservierung in das Deutsche Schifffahrtsmuseum gebracht. Es war die Zeit, als
weitere aufsehenerregende und wichtige Funde – wie der karolingische Lastkahn „Karl“
aus dem 8. Jahrhundert oder das „Beck’s-Schiff“ aus dem Ende des 15. Jahrhundert
– ausgegraben und vom DSM konserviert werden mussten. Für die Schlachte-Kogge
ein Unglücksfall. Denn letztendlich hieß das für die Überreste des Wracks: Unsachgemäße
Lagerung, Versäumnisse bei der Dokumentation und misslungene Konservierung.
Das Schlachte-Schiff: Ein echter
Sensationsfund
In den
ersten Kapiteln des Buches „Das Bremer Schlachte-Schiff“ haben die Autoren nun
eine umfassende Bestandsaufnahme der Vorgänge bei Bergung, Dokumentation und Konservierung vorgenommen. In den
folgenden Kapiteln werden die sicher oder vermutlich zum Wrack gehörenden
Fundstücke vorgestellt und beschrieben, um sich schließlich mit der Datierung und
den Konstruktionsdetails und –Besonderheiten zu befassen. Auf dieser Basis und der Darstellung bisheriger
Diskussionen zur Definition mittelalterlicher Schiffstypen Nordwesteuropas kommen
die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es sich bei dem Schlachte-Schiff
eindeutig um eine frühe Kogge oder wenigstens um eine Protokogge handelt. Das
Besondere an dieser Koggenvariante: Der Einbaum, der als Basis für die aufgesetzten
Plankengänge und als Halterung für das in dieser Zeit noch ungewöhnliche Heckruder
dient.
Kalfaterung, Moosseile und andere
Merkwürdigkeiten
Mit der
Typisierung des Fundes sin aber noch längst nicht alle Fragen, die sich in
Zusammenhang mit dem Schlachte-Schiff stellen, geklärt. So diskutieren die
Autoren in den Kapiteln „Herkunft des Schlachte-Schiffs und anderer Fahrzeuge“,
„Bremische Schifffahrt im 11. - 13. Jahrhundert“ und nicht zuletzt auch in
Zusammenhang mit den „Kalfaterungen am Schlachte-Schiff und die Bedeutung der
Moos-Seile“ ausführlich den Ursprung des Seeschiffes. Denn Fundort, Bauort und Sitz
des Eigentümers müssen ja nicht zwingend gleich sein. Mit der Beschreibung des Baus
eines Teilmodells im Maßstab 1:10 und den dabei aufgetretenen Schwierigkeiten endet
der publizistische Ausflug in die Welt der mittelalterlichen Seefahrt und der
Schiffsarchäologie. Für Fachleute und interessierte Laien ist das Buch eine Fundgrube
an Informationen zu den Themenkreisen Kogge, Schiffsarchäologie,
mittelalterliche nordwesteuropäische Seefahrt und Schiffbau. Der Fund ist jedenfalls
von wenigstens ebenso großer schiffshistorischer Bedeutung wie das auf 1380 datierte
und 1962 entdeckte Wrack der „Bremer Kogge“.
Lesen Sie auch: Große Handelsschiffe des Spätmittelalter
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