Auf
Spurensuche vor Rügen und Hiddensee
Zahllose
Wracks liegen in den Gewässern um Rügen und Hiddensee. Kein Wunder, denn dieses
Seegebiet gehört seit vielen Jahrhunderten zu den meistbefahrenen
Ostseeregionen. Thomas Förster, einer der führenden Unterwasserarchäologen
Deutschlands begibt sich in seinem Buch Schiffswracks
auf Spurensuche und präsentiert dem Leser
mehr als 50 Schicksale havarierter Schiffe und Mannschaften.
Bevor sich
der Autor denn konkreten Wracks widmet, führt er den Leser in das Thema ein.
Das beginnt mit der Einführung in die historische Seefahrt, das Strandungsrecht
und das Rettungswesen im besagten Seegebiet. Das zweite Einführungsthema ist
die Unterwasserarchäologie. Deren historisch belegte technische Anfänge liegen
für die Ostsee im 17. Jahrhundert, als
mittels Tauchglocken wertvolles Gut aus gestrandeten Schiffen geborgen wurde.
Die moderne Unterwasserarchäologie hat inzwischen mehr mit viel zu knappen
finanziellen Mitteln als mit technischen Problemen zu kämpfen, um die
zahlreichen archäologisch bedeutenden Wracks aufzuspüren, zu identifizieren und
als kulturelles Erbe zu dokumentieren.
Schiffsfriedhöfe und die Irrungen der
Unterwasserarchäologie
Vor allem
das Identifizieren der Relikte stellt eine aufwändige Recherchearbeit dar. Denn
die vorgefundenen Überreste befinden sich nicht nur in ganz unterschiedlichen
Erhaltungszuständen sondern gelegentlich auch an Stellen, an denen sie nicht
vermutet wurden. Teile verschiedener Wracks mögen sich an einer Stelle befinden
und die Zuordnung der verstreuten Artefakte zu einem spezifischen Wrack ist oft genug allein aus dem Fundzusammenhang
nicht zu rekonstruieren. Und so nimmt Thomas Förster seine Leser mit in die
Archive, stöbert in Seegerichtsakten und zeitgenössischen Berichten, um Position,
Ladung, Größe und Unfallhergang des an der Fundstelle vermuteten Schiffes mit
den aufgefundenen Überresten abzugleichen.
Wenn Havarien zu Touristenattraktionen
werden
Im Kapitel „Kogge,
Holk und Schnigge“ verdeutlicht der Autor, wie eng das Zusammenspiel zwischen
archäologischen Funduntersuchungen, Kenntnis des historischen Seehandels und dem
Quellenstudien, beispielsweise in Urkunden der Hanse ist, um sich ein
umfassendes Bild von Schiffstyp, Größe und Konstruktion, Alter zu machen. Mit
der ausführlicheren Darstellung des Gellenwracks beginnt Förster dann die
Vorstellung der einzelnen Schiffsfunde vom Mittelalter bis in die Mitte des 20.
Jahrhunderts. Dabei sind es nicht nur die spektakulären Fälle wie der
Schraubendampfer Grossfürst Constantin (II) (1861 gesunken) oder den das
Buchcover zierenden Postdampfer Rex (1900 gestrandet), der ebenso wie viele
andere gestrandete Schiffe seinerzeit zu Touristenattraktionen geworden sind.
Die Ostsee vor Rügen und Hiddensee, eine
Fundgrube an maritimen Zeitkapseln
Haffkähne,
Schoner und Ewer gehören ebenso zum Spektrum der aufgefundenen und
identifizierten Wracks. Deren Schicksale und Geschichten entpuppen sich als wenigstens
so spannend wie die der „großen“ Fälle. Denn Thomas Förster gelingt es durch
sie die Strukturen der historischen Seefahrt, der Lebensumstände an Bord, die
Launen der Ostsee und die Wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge
zu einem lebendigen Bild zu verarbeiten. Dem Leser erschließen sich in
anschaulicher Form das, was Schiffswracks bei entsprechender wissenschaftlicher
Untersuchung und Dokumentation nahezu immer sind: Zeitkapseln. Das Buch zeigt
ebenfalls in eindrucksvoller Weise, dass Archäologie eine komplexe historische
Wissenschaft ist, die sich nicht in Ausgrabungstechniken erschöpft.
Thomas
Förster: Schiffswracks. Auf Spurensuche vor Rügen und Hiddensee. Hinstorff 2016. Hardcover 142 Seiten.
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