Berichte
über Seeräuber finden sich bereits im zweiten vorchristlichen Jahrtausend in
der Korrespondenz zwischen den Großmächten jener Zeit. Darin ging es um
Überfälle auf Küstenorte und Häfen deren Urheberschaft sich die Mächtigen
gegenseitig bezichtigten. Beliebte Beute hierbei waren Luxusgüter und Menschen.
Dabei, so betont die Autorin, waren es genau diese Güter, die die Gruppe der
potenziellen Seeräuber beschränkten: „Nur wer zur herrschenden Elite gehörte,
konnte sich mit Raubgut schmücken, die erbeuteten Rohstoffe verwenden,
verschenken oder verkaufen und die geraubten Menschen […] auf den
Sklavenmärkten anbieten oder verkaufen.“
Tatsächlich waren
Beschaffungskriege fester Bestandteil der antiken Wirtschaft. Raubzüge der kriegerischen Eliten zu Lande und zur See
galten als Heldentaten und ehrenhaft, Piraten waren immer die anderen.
Das Mittelmeer, ein besonderer Kulturraum
Und so
begegnen einem in dem Buch Persönlichkeiten, die in scheinbar unterschiedlicher
Funktion von sich Reden machten. Zum einen als wohlhabende Herrscher,
erfolgreiche Kaufleute und eben auch als Seeräuber, dessen Dienste samt
umfangreicher Flotten von jeweils zahlungskräftiger Seite in Anspruch genommen
wurden. Die professionelle Seeräuberei benötigt allerdings besondere Rahmenbedingungen.
Da sind für den Absatz der geraubten Waren und Personen die entsprechenden
Märkte notwendig, es muss ausreichend lukrative
Beute vorhanden sein, die den enormen Aufwand rechtfertigt, den die Piraterie (abgesehen
von der Gelegenheitspiraterie verarmter Küstenbewohner) erfordert. Und nicht
zuletzt müssen die geographischen und politischen Strukturen (Stichworte
Machtvakuum, Konkurrenz verschiedener Machtzentren etc.) vorhanden sein, die ein
positives Kosten-Nutzen- Verhältnis des riskanten Geschäftes erlauben.
Rahmenbedingungen für Piraterie
Heidrun
Derks beschreibt vor allem die Entwicklung dieser Rahmenbedingungen im
Mittelmeer vom 3. vorchristlichen Jahrtausend bis zur Zeitenwende. Das beginnt
mit der geologischen und klimatischen Vorstellung des Mittelmeeres,
thematisiert die Anfänge der Piraterie mit dem Aufkommen der Hochkulturen und Palaststaaten
im Osten, die Entwicklung des
Schiffsbaus und des Seeverkehrs bis zum „Sturm der Seevölker“. Mit den Phöniziern wird dann ein neues Kapitel
der Kulturgeschichte der antiken Seefahrt des Mittelmeerraumes aufgeschlagen,
das den Leser schließlich auch auf die Spur der unternehmungslustigen Griechen
der homerischen Welt führt. Sicher nicht zufällig leitet sich das Wort Pirat
aus dem Griechischen Begriff peiran ab, das soviel bedeutet wie erproben,
suchen oder wagen. Peira steht für Wagnis, Unternehmen und Überfall und neben
leistes und kataponistes benennt peirates den Räuber und Plünderer auf See.
Seeräuber, Staatsmänner und Söldner in
Personalunion
Ein besseres
Verständnis des komplexem Phänomens der Piraterie vermittelt Heidrun Derks im
Kapitel „Mehr Piraten?“ unter dem Aspekt „Mein Recht … oder: Der andre war’s“. Hier beschreibt die Autorin die Rechtsauffassung
der griechischen Welt im Umgang mit Seeraub. Beispielhaft für die Ambivalenz
zwischen Krieg und Seeraub werden hier auch Persönlichkeiten wie Polykrates, Charidemos
und einige andere historische Persönlichkeiten vorgestellt, die mal als
Seeräuber, Staatsmänner oder Söldner agierten. Gerne bedienten sich auch die
Römer und Karthager in ihrem mediterranen Machtkampf der Flotten der
berüchtigten kilikischen Seeräuber, die unter der Führung des Kleinasiatischen
Königs und Romfeindes Mithridates schließlich selbst zu einem maritimen
Machtfaktor wurden, was u.a. den großen Kampf der Römer gegen die kilikischen
Piraten zur Folge hatte.
Ein kulturgeschichtlicher Abriss der antiken
Seefahrt des Mittelmeers
Gefahr auf
See ist weniger ein Buch über antike Piraten als vielmehr eine maritime
Kulturgeschichte des Mittelmeerraumes der Bronzezeit und Antike, so wie es der
Klappentext auch verspricht. Es beinhaltet interessante Aspekte zur Piraterie
und vermittelt – gerade weil sie die das gesamte Thema eher skizziert als
umfassend behandelt - die ungeheure Dynamik, die den mediterranen Kulturraum im
Betrachtungszeitraum auszeichnet. Eine interessante Lektüre, die allerdings eingefleischten
Seefahrtshistorikern nicht viel Neues bringt.
Heidrun
Derks: Gefahr auf See. Piraten in der Antike. Theiss 2016. Gebunden 112 Seiten.
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