Geschichten
rund ums Meer
Mit dem Buch
Seemannsgarn hat sich der Autor und Kabarettist Bernd Gieseking einen Traum
erfüllt: Die literarische Manifestation seiner Sehnsucht nach dem Meer. Das von
Uta Fischer liebevoll illustrierte Werk ist ein Vorlesebuch für die ganze
Familie, entsprechend einfach, gelegentlich aber auch tiefsinnig sind die
Geschichten gestrickt.
Gieseking
unternimmt mit dem Leser Reisen zu den Inuit, in die Tiefen der See, unter das
arktische Eis oder die relativen Weiten des Maschsees in Hannover. Selbst in der
kleinsten Pfütze, so veranschaulicht die Geschichte vom kleinen Hinnerk und
seinem Walnussboot lassen sich Seeabenteuer erleben, die mit etwas Phantasie einen
Vergleich mit den klassischen Meeresabenteurern Daniel Defoes, Hermann Melvilles
oder Robert Louis Stevenson nicht zu scheuen brauchen. Dem Leser begegnet
natürlich auch der Klabautermann, die kleine Meerjungfrau und diverse Seemannsgarnstricker.
Allen voran Oma Küste, der alte Segelmacher oder Hein, Fiete und Kuddel.
Kindheitserinnerungen
Es ist eine
bunte Mischung aus Märchen, Naturgeschichten, „Selbsterlebtem“ und Gedichten,
die der Autor seinen Lesern präsentiert. Und es ist kein Zufall, dass dieser
das eine oder andere Mal an Käptn Blaubär erinnert wird. Im Leser, der selbst
eine große Affinität zur See hat, werden immer wieder Erinnerungen wach.
Erinnerungen an die Lieblingsbücher und -geschichten seiner Kindheit und Jugend,
an die Träume von Ferne und Abenteuer, die ihn bei einem Besuch an der Küste überkamen,
an die Reisen, die sein Holzschiffchen an heißen Sommertagen am Ufer des
kleinen Badesees unternommen hatte und vieles andere mehr, das geistige
Landratten bestenfalls erahnen können.
Literarische
Entschleunigung
Es ist ein
nettes Buch und es ist ein Buch, das seine Zeit braucht. Literarische Entschleunigung
trifft das Gefühl, das einem bei der Lektüre kommen kann, vielleicht am besten.
Denn, wie bei Erzählungen Garn spinnender Seeleute und Großmütter üblich,
brauchen die meist eine Weile, bis beispielsweise Verwandtschaftsverhältnisse
des Abenteurers geklärt oder die Vorgeschichte des eigentlichen Ereignisses in
aller Breite ausgerollt ist. Und wenn Hein Unglaubliches erzählt, Fiete immer
wieder routinemäßig „Ist nicht wahr!“ einwirft, Kuddel ergänzt „kaum zu glauben!“ und Hein versichert
„war aber so!“, dann fühlt sich der Leser als Lauscher in eine gemütliche Hafenkneipe
versetzt.
Bernd
Gieseking: Seemannsgarn. Geschichten Rund ums Meer. Lappan 2016. Gebunden, 173
Seiten.
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