Viele kennen den Fliegenden Holländer aus
der Geschichte des Gespensterschiffes von Wilhelm Hauff von dem mir wohl das Bild
des mit einem Nagel durch den Kopf an den Hauptmast geschlagenen Kapitäns immer
in Erinnerung bleiben wird. Vor allem aber ist die Seefahrerlegende durch die
pompöse Wagner-Oper unsterblich geworden. Die Geschichte, deren Ursprünge im
Dunkeln liegen, wurde seit dem 18. und 19. Jahrhundert vielfach literarisch aufgegriffen.
Neben Hauffs und Heinrich Heines Version gehört auch das im deutschen
Sprachraum außerordentlich populäre 1839 erschienene Geisterschiff von Frederick
Marryat zu Wagners Inspirationsquellen.
Philipp ist der
Sohn des holländischen Kapitäns William
Vanderdecken, der beim vergeblichen Versuch, das Kap der Guten Hoffnung zu
umrunden einen gotteslästerlichen Fluch ausstieß und zur Strafe bis zum
jüngsten Tag die Weltmeere durchkreuzen muss. Erst auf dem Sterbebett offenbart
Williams Witwe ihrem Sohn das Schicksal ihres Mannes und bittet ihn, William mithilfe
einer Reliquie von seinem Schicksal zu erlösen. Wie und wann das geschehen
soll, weiß niemand. Aber immerhin geht es um Bestimmung und Schicksal und Philipp
hat einen Schwur am Sterbebett der Mutter geleistet und ist bereit, diesen
unter allen Umständen zu erfüllen.
Gespenster und Schicksal
Dabei wird
der tapfere Kapitänssohn harten Prüfungen unterzogen. Amine, seine große Liebe
und im christlichen Sinne Ungläubige, wird zu seiner Frau, von der er auf der
Suche nach seinem Vater die meiste Zeit ihres gemeinsamen Lebens getrennt bleiben
muss. Beide leiden heroisch unter dieser fluchbeladenen Trennung. Philipp muss mehrere
Schiffbrüche überleben und immer wieder ist ein geheimnisvoller und
offensichtlich unsterblicher Matrose namens Schriften unwillkommener Begleiter des braven
Philipp. Ihr Schicksal scheint unauflöslich miteinander verbunden. Auch Amine
steht mit höheren Mächten im Bunde und der beste Freund Philipps, der Seemann
Krantz, offenbart dem jungen Vanderdecken kurz vor seinem Tod sein eigenes
Schicksal, das ebenfalls von finsteren Mächten gesteuert ist.
Schwülstig und heroisch
Es ist kein
Geheimnis, dass es Philipp am Ende gelingt, seinen Vater von der ewigen
Verdammnis zu retten und dabei selbst zugrunde geht. Es ist eine dramatische Geschichte
von Heldenmut, Schicksalsmächten, unglücklicher Liebe, Verzweiflung, Moral und
Vorsehung, ganz nach Wagners Geschmack. Der Leser geht mit seinem Held an
Bord der Schiffe, erleidet mit ihm Stürme und Schiffbruch, Schicksalsschläge
und wird ganz nebenbei noch recht authentisch in die Welt der 17. Jahrhunderts
entführt. Und immer wieder erlebt er die Selbstzweifel und fast schon
übermenschliche Selbstaufopferung der Protagonisten, ihr Leiden und das Hadern
mit Schicksal und Glaube. Schwülstig und heroisch ist der Roman, gelegentlich
langatmig und in einem der Stile des 19. Jahrhunderts geschrieben, die dem modernen
Leser ebenfalls einiges an Leidensfähigkeit abverlangen.
Ein fesselnder Schmöker
Aber das
Buch ist tatsächlich auch das, was der Schriftsteller Karl Heinz Kramberg in
seinem Nachwort formuliert, ein Schmöker, eine Abenteuer- und
Gespenstergeschichte, bei dessen Lektüre sich nicht die Frage nach
literarischer Qualität stellt, weil man einfach trotz „streckenweise pathetisch
frömmelndem Leerlaufs“ von der Geschichte gefesselt ist.
Frederick
Marryat: Das Geisterschiff oder Der Fliegende Holländer. Unionsverlag 2010. Taschenbuch 446 Seiten.
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