Dienstag, 1. März 2016

Die Eroberer

Portugals Kampf um ein Weltreich

Der Name Vasco da Gama ist uns vor allem mit der erstmaligen Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung ein Begriff. Immerhin hat diese Leistung zunächst den Portugiesen, später den europäischen Seemächten den Seeweg nach Indien eröffnet. Ausgerechnet das bis zum Ende des 15. Jahrhunderts recht bedeutungslos am Rande der europäischen Welt gelegene winzige Portugal hatte es geschafft, an den etablierten Handelsmächten vorbei geradezu schlagartig zum Global Player zu werden. In seinem Buch „Die Eroberer“ beschreibt Roger Crowly den gerade einmal 30-jährigen Prozess, von der ersten Kapumrundung da Gamas im Jahre 1497 bis zur Errichtung des portugiesischen Weltreiches.

Es grenzt nahezu an ein Wunder, dass es den portugiesischen Seefahrern und Fidalgos (Landadel, Ritter) gelungen war, überhaupt Fuß in dem riesigen Gebiet des indischen Ozeans mit ihren großen Reichen und Zivilisationen zu fassen. Denn abgesehen von ihrer überlegenen Waffentechnik und ihrem nahezu größenwahnsinnigen Sendungsbewusstsein verfügten die Eroberer über kaum etwas, mit dem sie die regionalen Herrscher hätten beeindrucken können. Im Gegenteil, hinsichtlich ihres Anspruches, den Ostindienhandel (mit Europa) an sich zu reißen, waren die ersten Auftritte geradezu peinlich. So waren selbst die Gastgeschenke des portugiesischen Königs den afrikanischen und  indischen Herrschern der Küsten keines Blickes würdig. Und zwischen der offenen Handelskultur des hinduistisch-mohammedanisch geprägten Raumes und dem Monopolanspruch der portugiesischen Christenwelt gab es zunächst keine gemeinsame Ebene.

Der ostindische Kreuzzug

Und so war Portugals Kampf um ein christliches Weltreich, das – durch die Vereinigung mit dem sagenhaften Reich des ebenso sagenhaften Priesters Johannes - von Westeuropa über Afrika bis nach Ostasien reichen sollte, geprägt, von Massakern, Raubzügen gigantischen Ausmaßes, Mord und Zerstörung. Eigentlich keine gute Grundlage für vertrauensvolle Handelsbeziehungen zu fremden Kulturen und angesichts der gewaltigen maritimen Räume und angrenzenden Kontinente auch nicht gerade für eine dauerhafte Herrschaft. Aber neben dem fanatischen Hass auf die Muslime, der Gier nach Reichtum und Anerkennung, der unglaublichen militärischen Disziplinlosigkeit der Fidalgos gab es auch noch eine andere Seite, die die Portugiesen jener Zeit offensichtlich vor allen anderen auszeichnete. Hartnäckigkeit, unermüdlicher Wille, Visionen und die Bereitschaft zu Lernen. Schritt für Schritt hatten sich die portugiesischen Seeleute  im Auftrag des Königs zum Kap vorgearbeitet. Und als der Weg nach Indien schließlich offenlag, entsandte Manuel Flotte um Flotte mit detaillierten Befehlen an seine ostindischen Gouverneure, um das fragile Gebilde portugiesischer Stützpunkte auszubauen und militärisch abzusichern.

Mit Terror, Strategie und Glück zum Weltreich

Es ist eine Geschichte von persönlichen Eitelkeiten, kaltem Verstand, Skrupellosigkeit, Intrigen, der Durchsetzungsfähigkeit weniger Persönlichkeiten, und einer Menge Glück, die den Portugiesen nach rund 30 Jahren die rund 100 jährige Vorherrschaft über den Handel zwischen Ostindien und Europa einbrachte. Die Vernichtung der muslimischen Welt, die Errichtung eines christlichen Weltreiches oder auch nur die Kontrolle des ostasiatischen Binnenhandels waren von vornherein unerreichbare Ziele. Wie aber die Verfolgung dieser Ziele letztendlich zum wirtschaftlichen Erfolg und zum Beginn der europäischen Globalisierung geführt hat, schildert Roger Crowley auf der Basis zeitgenössischer Berichte gewohnt anschaulich und kurzweilig. Der Autor eröffnet dem Leser dabei ein Stück beeindruckender aber auch erschreckender europäischer Geschichte, die in dieser Detailliertheit der Allgemeinheit bislang kaum präsent ist.

Roger Crowley: Die Eroberer. Portugals Kampf um ein Weltreich. Theiss 2016, Gebunden mit Schutzumschlag 431 Seiten

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