Monfreids
Ausführungen beginnen mit einem Streitgespräch mit dem Gouverneur von
Französisch-Somaliland. Der wollte den französischen Abenteurer vom lukrativen
Waffenschmuggel abhalten, der Millionen in die Zollkassen spülte. Tatsächlich
war die Beteiligung eines Franzosen am in afrikanisch-arabischer Hand
befindlichen Waffenschmuggel ein Politikum und ein gefährliches Unterfangen obendrein.
Denn mit seinen geschäftlichen Ambitionen geriet er nicht nur zwischen die Fronten
der europäischen Kolonialmächte, sondern legte sich ebenfalls mit der
etablierten einheimischen Schmugglermaffia an, die erheblichen Einfluss auf die
Kolonialverwaltung hatte.
Literarische Abenteuerreise durch das Rote
Meer
Dem Leser
vermittelt Monfreid die komplexe Lage der Region am Golf von Aden und im Roten
Meer in lockerer, eingängiger Art. Als Insider schildert er die Interessen der
Kolonialmächte, stellt die mächtigen afrikanisch-arabischen Protagonisten vor
und stellt die komplexen Verflechtungen zwischen den zahllosen an Machtkämpfen,
Raub, Schmuggel und Handel beteiligten Gruppierungen und Persönlichkeiten dar.
Ganz offensichtlich fühlt sich Monfreid von der orientalischen Welt und
Mentalität angezogen. Und es ist erstaunlich, welche Kontakte und welches Wissen
um die Ethnien, sozialen Strukturen und Denkmuster er in der verhältnismäßig
kurzen Zeit angehäuft hat, in der er mit seiner kleinen Dhau an die Küsten des
Roten Meeres segelte und sich neben Waffenschmuggel auch in Perlenzucht und –taucherei übte.
Arabische Seefahrt hautnah
Das
Verhältnis des unter dem Namen ‚Abd-el-Hai“ (Sklave der Schöpfung) Reisenden zu
den Einheimischen und den Europäern drückt sich in folgendem Dialog mit
Gouverneur Pascal aus:
„… Sagen Sie
mal, schämen Sie sich nicht, wenn hergelaufene Kulis Sie mit einem hiesigen
Namen anreden?“
„Nein, ganz
im Gegenteil. Wenn ich aber mir anhören muss, was diese Leute von Europäern
halten, dann schmerzt mich das und ich tue mein Möglichstes, um nicht als solcher
zu gelten.“
Und das schien
ihm durchaus zu gelingen. Unter Somalis und Arabern wie unter Seinesgleichen segelte
er auf einer Dhau – seinem Schiffchen, wie er es nannte – durch das Rote Meer,
freundete sich mit mächtigen und zwielichtigen Protagonisten der Region an,
machte sich andere zum Feinde und bewegte sich wie ein Traumtänzer in der
orientalischen Welt, ihren Intrigen und Machenschaften.
Waghalsige Segelmanöver, Verfolgungsjagden,
Versteckspiele in der Inselwelt
Ein Traumtänzer
war der freiheitsliebende Monfreid mit seiner faszinierenden Beobachtungsgabe
und dem für Europäer ungewöhnlichen Einfühlungsvermögen aber nicht, wohl aber
ein Draufgänger mit hoher Risikobereitschaft. Mit seinem Schiffchen segelt er
mächtigen Verfolgern den Kiel ab, versenkt sein Gefährt, um es den Blicken der
Verfolger zu entziehen und kommt, nachdem er das Boot wieder gehoben und repariert
hat, auf diese Weise tatsächlich davon. Trickreich ist er und wagemutig und nicht
zuletzt auch das eine oder andere mal mit Glück gesegnet. Etwa wenn er durch
die unbekannten Inselwelten mit ihren Riffs und Untiefen der Küsten segelt, in einen Sturm hineinfährt, der ihn und seine
Mannschaft beinahe Schiff und Leben kostet oder in eine von seinen mächtigen
Kontrahenten gestellte Falle gerät.
Monfreid der orientalische Europäer
Monfreids
Abenteuer im Roten Meer sind dicht und packend geschrieben und sie vermitteln
eine Menge Informationen über Kulturen, Mentalitäten, Bräuche, soziale
Strukturen (einschließlich dem Konzept der orientalischen Sklaverei) und Arbeitsweisen
dieser Region, die dem Leser aufgrund der authentischen Schilderungen des
Abenteurers lebendig wird. Lebendig, das ist vielleicht das Schlüsselwort zu
diesem Buch. Denn es beschreibt auch ein Stück Lebenseinstellung, das sich der
Autor offensichtlich zu Eigen gemacht hat: Den nur schwer zu fassenden orientalischen
Fatalismus, der nur wenig mit Selbstaufgabe, aber viel mit innerer Freiheit zu
tun zu haben scheint. Am Ende des in diesem Buch beschriebenen Lebensabschnitts
wird der trickreiche Abenteurer schließlich doch noch Opfer seiner mächtigen
Kontrahenten im Waffenschmuggelgeschäft. Von den Kolonialbehörden in Dschibuti
wegen Waffenschmuggels ins Gefängnis geworfen, all seines Hab und Gutes beraubt
und völlig demoralisiert, entscheidet er sich im März 1915 „freiwillig“ nach
Europa zu reisen und in den Krieg zu ziehen.
Ein Abenteurer wie er im Buche steht
Monfreids
Schlussbemerkung in Die Geheimnisse des Roten Meeres: „So bitter ist mir ums
Herz, dass mir scheint, es sei nicht unser Vaterland, das zu verteidigen wir
uns anschicken, sondern die Stellung und die Privilegien der Leute, die ich
hier zurücklasse. Doch ich weiß schon, dass ich eines Tages wiederkommen werde …“.
Tatsächlich
soll Monfreids Fronteinsatz gerade einmal
ein paar Wochen dauern. Bereits im Juli kehrt er ans Rote Meer zurück
und lebt immerhin bis 1947 in der Region, um schließlich nach Frankreich zurückzukehren.
1974 stirbt Henry de Monfreid im Alter von 95 Jahren.
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