Die
Dampfer-Expedition des Barons von der Decken ins Land der Somali
Carl Claus von
der Decken ist sicherlich nicht der erste Name, der einem einfällt, wenn es um
die Erforschung Afrikas geht. Und doch hat der wohlhabende Privatreisende mit
Entdeckerdrang einen wissenschaftlich anerkannten Beitrag zur europäischen
Forschungsgeschichte in Afrika geleistet. Immerhin erfuhr der Baron 1864 für
seine Erkundungen am Kilimandscharo eine Ehrung durch die Londoner
Geographische Gesellschaft. Wirklich erfolgreich war der ehemalige hannoversche
Offizier bei seinen Unternehmungen jedoch nicht. Sein auch finanziell größtes
Projekt, die Erkundung des Flusses Juba, dessen Mündung im heutigen Somalia
liegt, scheiterte grandios und endete mit dem Tod des ehrgeizigen Adeligen.
Ausgangspunkt
der Expedition war Sansibar, die ostafrikanische Insel, die im 19. Jahrhundert
das politische und wirtschaftliche Zentrum des gleichnamigen Sultanats
darstellte. Der Einfluss des von Arabern aus Oman gegründeten Sultanats reichte von der Küste bis tief ins
Innere Ostafrikas und umfasste auch die Küstenregion des heutigen Somalia.
Bereits bevor die Expedition mit ihren beiden Spezialschiffen ihr Ziel, die gut
700 Kilometer von Sansibar entfernte Jubamündung, erreichte, ereigneten sich die
ersten Katastrophen. Bei einem Landausflug infizierte sich ein großer Teil der Reisegesellschaft
– darunter auch von Decken – mit der
Cholera. Van Decken überlebte, acht Leute von der Schiffsmannschaft starben.
Kaum zwei Wochen später strandete der große Expeditionsdampfer „Welf“ an der Küste,
ein paar Meilen von der Juba-Mündung entfernt. Mehrere gebrochene Spanten und ein Defekt an der Maschine machten den „Welf“
beinahe zum Wrack, das notdürftig repariert schließlich – das kleinere
Flussboot Passepartout im Schlepp - mit Mühe die Brandung vor der Juba-Mündung
passierte. Die Passepartout allerdings hatte sich bei dem Manöver losgerissen
und war mit dem Maschinisten Hitzmann untergegangen.
Afrikaforschung
nach Gutsherrenart
Keine Frage,
die Expedition stand unter keinem günstigen Stern. Die Einstellung des Barons war
sicherlich auch nicht dazu angetan, bei der Bevölkerung und den regionalen
Granden die dringend benötigte Unterstützung zu mobilisieren. Bei den einzelnen
regionalen Herrschern die Genehmigung zum Passieren des Flusses einzuholen, war
für ihn eher eine Frage der Höflichkeit, denn der Notwendigkeit. Schließlich hatte er ja die
Erlaubnis des Sultans von Sansibar und die ideelle, politische und teilweise
auch praktische Unterstützung der in dieser Region sehr rührigen Briten.
Rücksicht auf Befindlichkeiten, kulturelle und politische Strukturen und
Eigenheiten im Lande, war – wie der Bericht über die Forschungsreise im Buch „Tod
am Juba“ zeigt - seine Sache ohnehin nicht. So plante er die Forschungsreise mit
großem finanziellem Aufwand eher als technologisch-militärische Operation. Über
eigene Kenntnisse der Landessprache verfügte der hannoversche Ex-Offizier
ebensowenig wie über die notwendigen diplomatischen Fähigkeiten.
tödlicher
Ehrgeiz
Am Ende kam
es wie es kommen musste. Obwohl sich schnell herausstellte, dass der „Welf“ für
das Vorhaben, den Juba so weit flussaufwärts wie möglich zu erkunden, nicht geeignet
war, obwohl er sich der Unterstützung der Einheimischen nicht sicher sein
konnte und obwohl die Expedition spätestens am 24. September als gescheitert
betrachtet werden musste, machte van Decken weiter. Der Dampfer lief auf ein
Riff, das den Schiffsboden durchbohrte, sodass die Mannschaft ein Lager an Land
aufschlagen und den Dampfer leerräumen musste. Van Decken fuhr mit dem Doktor
und afrikanischen Begleitern zum Ort Bardera zurück, um neue Lebensmittel
einzukaufen. Dort wurden er und der Doktor nach Auskunft eines seiner Begleiter
ermordet. Nach einem Überfall auf das Lager schlugen sich die überlebenden
Expeditionsmitglieder mit dem letzten Boot flussabwärts zur Küste durch und
erreichten am Ende Sansibar. Die Instrumente und die Sammlungen an
Naturgegenständen mussten zurückgelassen werden.
„Tod am Juba“
ist ein durchaus interessantes Buch, schon weil die Expedition van Deckens gegenüber
den bekannteren Unternehmungen europäischer Forschungsreisender in
verschiedener Hinsicht ein wenig aus dem Rahmen fällt. In seiner Einführung und
den Nachwort vermittelt der Herausgeber zudem eine Reihe interessanter historischer
Hintergrundinformationen. Etwas weniger inhaltliche Redundanz im Rahmen von Einführung,
Bericht, Nachwort und Zusammenfassung wäre allerdings zu begrüßen gewesen.
Volker
Matthies (Hrsg.): Tod am Juba. Die Dampfer-Expedition des Barons von der Decken
ins Land der Somali (1865). Oceanum Verlag 2014. Hardcover 111 Seiten.
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