Donnerstag, 28. Mai 2015

Tod am Juba



Die Dampfer-Expedition des Barons von der Decken ins Land der Somali

Carl Claus von der Decken ist sicherlich nicht der erste Name, der einem einfällt, wenn es um die Erforschung Afrikas geht. Und doch hat der wohlhabende Privatreisende mit Entdeckerdrang einen wissenschaftlich anerkannten Beitrag zur europäischen Forschungsgeschichte in Afrika geleistet. Immerhin erfuhr der Baron 1864 für seine Erkundungen am Kilimandscharo eine Ehrung durch die Londoner Geographische Gesellschaft. Wirklich erfolgreich war der ehemalige hannoversche Offizier bei seinen Unternehmungen jedoch nicht. Sein auch finanziell größtes Projekt, die Erkundung des Flusses Juba, dessen Mündung im heutigen Somalia liegt, scheiterte grandios und endete mit dem Tod des ehrgeizigen Adeligen.


Ausgangspunkt der Expedition war Sansibar, die ostafrikanische Insel, die im 19. Jahrhundert das politische und wirtschaftliche Zentrum des gleichnamigen Sultanats darstellte. Der Einfluss des von Arabern aus Oman gegründeten  Sultanats reichte von der Küste bis tief ins Innere Ostafrikas und umfasste auch die Küstenregion des heutigen Somalia. Bereits bevor die Expedition mit ihren beiden Spezialschiffen ihr Ziel, die gut 700 Kilometer von Sansibar entfernte Jubamündung, erreichte, ereigneten sich die ersten Katastrophen. Bei einem Landausflug infizierte sich ein großer Teil der Reisegesellschaft  – darunter auch von Decken – mit der Cholera. Van Decken überlebte, acht Leute von der Schiffsmannschaft starben. Kaum zwei Wochen später strandete der große Expeditionsdampfer „Welf“ an der Küste, ein paar Meilen von der Juba-Mündung entfernt. Mehrere gebrochene Spanten  und ein Defekt an der Maschine machten den „Welf“ beinahe zum Wrack, das notdürftig repariert schließlich – das kleinere Flussboot Passepartout im Schlepp - mit Mühe die Brandung vor der Juba-Mündung passierte. Die Passepartout allerdings hatte sich bei dem Manöver losgerissen und war mit dem Maschinisten Hitzmann untergegangen.

Afrikaforschung nach Gutsherrenart

Keine Frage, die Expedition stand unter keinem günstigen Stern. Die Einstellung des Barons war sicherlich auch nicht dazu angetan, bei der Bevölkerung und den regionalen Granden die dringend benötigte Unterstützung zu mobilisieren. Bei den einzelnen regionalen Herrschern die Genehmigung zum Passieren des Flusses einzuholen, war für ihn eher eine Frage der Höflichkeit, denn  der Notwendigkeit. Schließlich hatte er ja die Erlaubnis des Sultans von Sansibar und die ideelle, politische und teilweise auch praktische Unterstützung der in dieser Region sehr rührigen Briten. Rücksicht auf Befindlichkeiten, kulturelle und politische Strukturen und Eigenheiten im Lande, war – wie der Bericht über die Forschungsreise im Buch „Tod am Juba“ zeigt - seine Sache ohnehin nicht. So plante er die Forschungsreise mit großem finanziellem Aufwand eher als technologisch-militärische Operation. Über eigene Kenntnisse der Landessprache verfügte der hannoversche Ex-Offizier ebensowenig wie über die notwendigen diplomatischen Fähigkeiten.

tödlicher Ehrgeiz

Am Ende kam es wie es kommen musste. Obwohl sich schnell herausstellte, dass der „Welf“ für das Vorhaben, den Juba so weit flussaufwärts wie möglich zu erkunden, nicht geeignet war, obwohl er sich der Unterstützung der Einheimischen nicht sicher sein konnte und obwohl die Expedition spätestens am 24. September als gescheitert betrachtet werden musste, machte van Decken weiter. Der Dampfer lief auf ein Riff, das den Schiffsboden durchbohrte, sodass die Mannschaft ein Lager an Land aufschlagen und den Dampfer leerräumen musste. Van Decken fuhr mit dem Doktor und afrikanischen Begleitern zum Ort Bardera zurück, um neue Lebensmittel einzukaufen. Dort wurden er und der Doktor nach Auskunft eines seiner Begleiter ermordet. Nach einem Überfall auf das Lager schlugen sich die überlebenden Expeditionsmitglieder mit dem letzten Boot flussabwärts zur Küste durch und erreichten am Ende Sansibar. Die Instrumente und die Sammlungen an Naturgegenständen mussten zurückgelassen werden.

„Tod am Juba“ ist ein durchaus interessantes Buch, schon weil die Expedition van Deckens gegenüber den bekannteren Unternehmungen europäischer Forschungsreisender in verschiedener Hinsicht ein wenig aus dem Rahmen fällt. In seiner Einführung und den Nachwort vermittelt der Herausgeber zudem eine Reihe interessanter historischer Hintergrundinformationen. Etwas weniger inhaltliche Redundanz im Rahmen von Einführung, Bericht, Nachwort und Zusammenfassung wäre allerdings zu begrüßen gewesen.

Volker Matthies (Hrsg.): Tod am Juba. Die Dampfer-Expedition des Barons von der Decken ins Land der Somali (1865). Oceanum Verlag 2014. Hardcover 111 Seiten.

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