Dienstag, 12. Mai 2015

Menschen, Schiffe, Ladungen

Fotografien aus dem Hamburger Hafen der 1950er und 1960er Jahre

Als Hamburg dieses Jahr den 826sten Hafengeburtstag feierte, haben wieder unzählige Journalisten farbenprächtige Fotos und Videos des spektakulären Ereignisses in der ganzen Welt verbreitet. Die wunderschöne Cap San Diego, das einzig überlebende der sechs spektakulären Schiffe der „Cap San“ Serie die die Reederei Hamburg Süd Anfang der sechziger Jahre in Betrieb nahm, ist natürlich auch wieder dabei. Auf den Schwarz-Weiß-Bildern aus dem Hamburger Hafen in den 1950er und 1960er Jahre des Fotografen Walter Lüden, die der Bildband „Menschen, Schiffe Ladungen“ präsentiert, sucht der Betrachter einen der „weißen Schwäne des Südatlantik“ vergeblich. Dafür spiegelt sich in den ausgewählten Aufnahmen das ganze Spektrum des konventionellen Stückgutumschlags der die Seefahrt der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts prägte.
Rund 30.000 Fotos hatte der Herausgeber zur Auswahl, knapp 90 haben Eingang in den fünften Bildband der Serie „Schifffahrt und Fotografie“ des Deutschen Schiffahrtsmuseums gefunden. Optisch dicht, ausdrucksstark und von hervorragender technischer aber auch dokumentarischer Qualität sind die Bilder, deren jedes den Betrachter zum Verweilen (und je nach Alter) zum Erinnern einlädt. Zeitungen, Zeitschriften, Werften oder Reedereien gehörten zu den Auftraggebern von Walter Lüden (*1914 – Ɨ 1996), „Hamburgs Hafenfotografen Nummer 1“, als den ihn das Hamburger Abendblatt anlässlich seines 50. Geburtstags im Jahre 1964 bezeichnete. Wer die Bilder vom emsigen Hafengeschehen, alten und damals hochmodernen Schiffen und Ladeeinrichtungen, den Menschen und ihrer Arbeit anschaut, ahnt durchaus, warum den ehemaligen Hobbyfotografen dieser Ehrentitel verliehen wurde.

Zwischen Kunst und Dokumentation

Es sind nicht nur die vergangenen Welten, die hier dokumentiert werden, sondern vor allem die Perspektive und die technische Umsetzung, die den Betrachter faszinieren. Wer selbst noch mit mechanischen Kameras, schwarz-weiß Filmen und heimischem Fotolabor gearbeitet hat, weiß, welche kreative und fachliche Leistung hinter den hervorragenden Bildern steckt. Scheinbar mühelos meistert Lüden Probleme der Tiefenschärfe und dem geübten Auge deutlich erkennbare Herausforderungen durch die Lichtverhältnisse, ein perfektes Zusammenspiel zwischen genialer Standortwahl, gekonnter Aufnahme und Labortechnik. Es sind somit bewusst manipulierte Bilder, mit denen Walter Lüden fotografische Aussagen zum Hafengeschehen trifft. Denn seine Fotografien vermitteln Eindrücke und Informationen gleichermaßen, sind in ihrer Perspektive und Auswahl konstruiert. Die kurzen, knackigen Bildunterschriften weisen jeweils darauf hin.

Vergangene Welten

„Menschen, Schiffe, Ladungen“ ist ein seefahrts- und fotografiegeschichtliches Dokument, das in beiden Fällen eine Welt zeigt, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit vergangen ist. Der konventionelle Stückgutumschlag ist den Containerterminals gewichen, damals hochmoderne Stückgutmultitalente wie die Cap San Diego waren kaum 10 Jahre nach ihrer Indienststellung gegenüber den aufkommenden Containerspezialisten kaum noch wettbewerbsfähig und in der Fotographie geht heute ohne Farbe, Fotoshop und Digitalkamera kaum noch etwas.
Kaum 100 Seiten, rund 90 Aufnahmen laden zum Genießen und Nachdenken ein. Ein Buch, das sich immer wieder lohnt in die Hand zu nehmen und dabei Neues zu entdecken. Entgegen dem Untertitel des Buches sollte sich der Leser aber im Klaren darüber sein, dass hier in Wirklichkeit ein Portrait der 50er Jahre gezeichnet wird. Gerade einmal acht Fotos vom Anfang der sechziger Jahre rechtfertigen meines Erachtens nicht die Aufnahme dieses Jahrzehnts in den Titel.

Klaus-Peter Kiedel (Hrsg.): Menschen, Schiffe, Ladungen. Mit dem Fotografen Walter Lüden im Hamburger Hafen in den 1950er und 1960er Jahren. Deutsches Schiffahrtsmuseum/ Oceanum Verlag, 2015. Gebunden, 96 Seiten.

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