Am 1. August des Jahres 1798 gegen 22.00 Uhr explodierte das Flaggschiff der französischen Flotte l´Orient unter dem Beschuss von Nelsons Linienschiffen in der Bucht von Aboukir. Damit hatten die Franzosen ihre maritime Vorherrschaft im Mittelmeer innerhalb eines Augenblicks eingebüßt.
Vorangegangen war der Schlacht bei Aboukir oder der „Battle of the Nile“ eine rund zehn wöchige Suche Nelsons nach der Flotte, die Napoleon Bonaparte mit seinem Expeditionsheer von Toulon über Malta nach Alexandria gebracht hatte. Der Autor Gregory Fremont-Barnes beginnt in seinem Buch „Nile 1798“ mit der Beschreibung der historisch-militärischen Gesamtsituation, die sich durch den Verlust der letzten britischen Alliierten auf dem Kontinent und die Beherrschung des Mittelmeeres durch die französische Marine auszeichnete.
Für Napoleon war damit die Option gegeben, durch die Eroberung Ägyptens auf dem Landwege in die indische Domäne der Briten, die mit Ausnahme des Mittelmeeres sämtliche Ozeane der Welt kontrollierten, vorzudringen.
Nelsons Suche im Mittelmeer
Natürlich war den britischen Informanten die Konzentration von Schiffen und Truppen in Toulon nicht verborgen geblieben, das Ziel der Armada allerdings war lange unbekannt. Schließlich kannte man ja auch die französischen Pläne und Versuche einer Invasion Großbritanniens, sei es über den Kanal, sei es über die Insel der kooperationsfreudigen katholischen Iren. Und so hatte Vizeadmiral Nelson den Auftrag erhalten, ins Mittelmeer zu segeln, um die französischen Aktivitäten zu beobachten. Als er vor Toulon jedoch feststellen musste, dass die französische Flotte mit immer noch unbekanntem Ziel ausgelaufen war, begann die wochenlange historische Suche, bei der sich die gegnerischen Flotten mehrmals nur knapp verpassten, einmal sogar nur wenige Seemeilen voneinander entfernt , ohne es zu merken, aneinander vorbeisegelten.
Eine Seeschlacht von historischer Dimension
Als Nelson die gegnerische Flotte in der Bucht von Aboukir endlich entdeckte und unverzüglich angriff, da hatte diese die Expeditionstruppen bereits in Alexandria ausgeladen und Napoleon seine Ägyptenkampagne begonnen. Das Ergebnis des Aufeinandertreffens der beiden Linienschiffverbände ist bekannt. Die Franzosen verloren ihre Mittelmeerflotte und Napoleon damit sein logistisches „Hinterland“ zur Umsetzung der globalen Ziele, die er mit dem Ägyptenfeldzug verbunden hatte.
Detailliert beschreibt Fremont-Barnes die Ereignisse, die mit dem Auslaufen der französischen Flotte aus Toulon beginnen und mit der vollständigen Vernichtung der französischen Flotte enden. Im Zentrum der Betrachtungen stehen die Schlacht selbst, die Bewegungen der einzelnen Schiffe, die Entscheidungen der Admirale und Kommandanten, die taktischen Manöver und ihre Folgen. Zuvor allerdings stellt der Autor die Kontrahenten vor, also die Admirale und Kapitäne, die Schiffe und die Bewaffnung, den Trainingsstand und die jeweiligen taktischen Doktrinen.
Nelson und die Fehler des Gegners
Das hinsichtlich der realen Kräfteverhältnisse eigentlich überraschende Ergebnis der Schlacht analysiert Fremont-Barnes unter verschiedenen Aspekten. Dabei wird der Beitrag des britischen Vizeadmirals zum Sieg, der den Beginn von Nelsons Karriere als Nationalheld begründete, durchaus relativiert. Immerhin hatte der französische Flottenkommandeur, Vizeadmiral François Paul Brueys d`Aigalliers, bereits im Vorfeld der Schlacht gravierende Fehler begangen. Einer der größten war zweifellos die Tatsache, dass er nicht mit der Existenz einer britischen Flotte im Mittelmeer gerechnet und daher nicht einmal Aufklärung betrieben hatte. So traf Nelson seine Gegner nicht nur völlig unvorbereitet, sondern auch noch mit stark reduzierter Mannschaft. Das von Nelson propagierte „eigenmächtige Handeln seiner Kapitäne im Bedarfsfall“ hatte zudem dazu geführt, dass bereits der Kapitän des britischen Führungsschiffes die Lücke im „Sicherheitskonzept“ der in Linie vor Anker liegenden französischen Flotte erkannt und durch ein gewagtes Manöver genutzt hatte. Letztendlich war es dieser Kapitän gewesen, der mit seiner „eigenmächtigen“ Aktion die zentrale Schlachttaktik vorgegeben hatte.
Der Held von Aboukir
Der Schlachtverlauf ist durch die 3D Grafiken und Schaubilder des Illustrators H. Gerrard hervorragend visualisiert und die zahlreichen historischen Abbildungen und doppelseitigen Schlachtszenarien des Illustrators lassen die Ereignisse sehr lebendig auf den Leser einwirken. Alles in allem eine interessante Lektüre über ein Ereignis, das wie nur wenige wohl tatsächlich den Verlauf der Geschichte beeinflusst haben dürfte. Dass der Held von Aboukir, Vizeadmiral Nelson nach „getaner Arbeit“ auf seinem Rückweg in Italien bei den Hamiltons vorbeischaute und dabei seine Affäre mit der Frau des Botschafters begann, ist hingegen nur eine Anekdote ohne historische Relevanz.
Gregory Freemont-Barnes: Nile 1798, Nelson`s first great victory, Osprey Publishing 2011, Paperback, 96 Seiten.
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