Nach dem zweiten Opiumkrieg vereinbarte China im Juni 1858 in Tientsin mit den westlichen Mächten Verträge, die diesen einen freien Zugang zu den wichtigsten Handelszentren des Reiches gewährleistete und ausländischen Kriegsschiffen viele Häfen und die großen Flüsse des Landes frei zugänglich machte.
Der Royal Navy wurde beispielsweise der Besuch sämtlicher Häfen im Hoheitsgebiet des chinesischen Kaisers gestattet, wenn sie diese in friedlicher Absicht oder im Rahmen der Jagd auf Piraten aufsuchte. Und selbstverständlich verpflichtete sich der Kaiser, den Briten sämtliche Ressourcen zur Versorgung und Reparatur der Kriegsschiffe zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug sollten die Kommandanten der Schiffe einen respektvollen Umgang mit den chinesischen Behörden und dem Hof pflegen.
Kanonenbootpolitik auf dem Yangtze Kiang
Angus Konstam präsentiert in seinem Osprey-Buch „Yangtze River Gunboats 1900-49“ die „Blütezeit“ der Flusskanonenboote aller beteiligten Nationen, die den Yangtze kontrollierten. In der Regel war der Dienst, die Händler und Missionare, die sich in den Handelszentren des Chinesischen Reiches niedergelassen und dort ihre Gemeinden gegründet hatten, eher diplomatischer, für die Besatzungen der teils recht bescheiden ausgestatteten Boote, vor allem langweiliger Natur. Meist reichte die Demonstration der Macht, also das der Kanonenpolitik zugrunde liegende Prinzip aus, um Konflikte ohne Kampfhandlungen zu bewältigen. Und Konflikte gab es nicht nur mit den chinesischen Behörden, sondern vor allem in Zusammenhang mit den Unruhen und Aufständen, die das Riesenreich immer wieder erschütterten und die Ausländer mal zwischen die Fronten der chinesischen Kontrahenten, mal ins Visier der aufgebrachten Massen geraten ließen.
Der Wanshien-Zwischenfall 1926
Der Chinesisch-Japanische Krieg, in dessen Folge sich auch japanische Flusskanonenboote zu denen der Briten, Franzosen, Amerikaner, Italiener und Deutschen gesellten, ist nur eines der Ereignisse, die Konstam als Hintergrund der Geschichte der Yangtze- Kanonenboote beleuchtet. Andere sind: der Boxeraufstand, der Russisch-Japanische Krieg, der Zusammenbruch des Chinesischen Reiches und der Bürgerkrieg und nicht zuletzt die beiden Weltkriege oder der Wanhsien-Zwischenfall 1926 am oberen Yangtze, der als Rahmen für das 1966 erschienene Filmdrama „Kanonenboot am Yangtze Kiang“ mit Steve McQueen in der Hauptrolle diente. Konstam liefert in gewohnt komplexer aber auch kompakter Form den historisch-politischen und militärisch-strategischen Background der Geschichte der westlichen Yangtze-Flotten und ihrer recht speziellen Schiffstypen, die speziell für ihre Aufgaben in den schwierigen Gewässern des Yangtze konzipiert waren. Immerhin mussten sie mit Strömungen und Stromschnellen und mit in unseren Breiten unvorstellbaren Wasserstandsunterschieden klar kommen.
Flusskanonenboote der Insekten-Klasse
Äußerlich erscheinen viele der Flusskanonenboote für unsere heutigen Augen eher skurril als bedrohlich, manche erinnern gar an alte Ausflugsdampfer. Aber der doppelseitige, von Tony Bryan gezeichnete 3D- Aufschnitt durch die HMS Cicala, einem britischen Boot der Insekten-Klasse um etwa 1927 zeigt nicht nur die Besonderheiten dieser Klasse, sondern auch die konsequente, auf ihre Aufgabe ausgerichtete Konzeption. Historische Atmosphäre bringen nicht nur die ganzseitigen farbigen Illustrationen Bryans, sondern auch die zahlreichen historischen Fotos, mit denen dem Betrachter die Hauptvertreter der internationalen Flusskanonenbootsflotte nahegebracht werden. Für jemanden, der sich bislang nicht sonderlich intensiv mit diesem Kapitel Marinegeschichte auseinandergesetzt hat, ist die schiere Zahl der Yangtze-Boote überraschend. Da verwundert es dann nicht mehr, dass sich Konstam bei der systematischen Vorstellung der Boote mit Foto, technischen Daten und Vita auf die Typschiffe der britischen und amerikanischen Navy beschränkt.
Angus Konstam, Tony Bryan: Yangtze River Gunboats 1900-49, Paperback, Osprey Publishing 2011, 48 Seiten.
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