Zweimal wurden die gewaltigen Invasionsflotten Khubilai Khans vom Kamikaze zerstört. James Delago untersucht in seinem Buch "Khubilai Khans lost fleet", wieso die Kampagnen tatsächlich fehlschlugen.
1274 landete eine gewaltige Flotte an der Küste Japans, gefüllt mit Zehntausenden von Kriegern, bereit, Japan zu erobern. Die Truppen des Mongolenherrschers Kubilai Khan konnten an Land nicht Fuß fassen, weil ein mächtiger Sturm die Flotte vernichtete. Die Legende vom Kamikaze, dem göttlichen Wind war spätestens dann geboren, als im Jahre 1281 ein zweiter Invasionsversuch mit zwei noch größeren Flotten und weit über 100.000 Mann ebenfalls durch einen gewaltigen Sturm vereitelt worden war.
Der Mythos vom Kamikaze
Der Mythos vom Kamikaze, das vermittelt James Delgado in seinem englischen Buch „Khubilai Khans lost fleet“ war spätestens im Rahmen der japanischen Isolation seit dem 17. Jahrhundert aus dem Bewusstsein der Japaner verdrängt worden. Mit der Öffnung Japans und der Entwicklung zur asiatischen Industrie- und Militärmacht aber, wurde die Legende vom göttlichen Sturm wiedererweckt und politisch instrumentalisiert. Und noch heute gilt die Vernichtung der mongolischen Invasionsflotte durch den Kamikaze im Bewusstsein der Bevölkerung als historische Realität.
James Delgado, Unterwasserarchäologe und Präsident des Institute of Nautical Archaeologie, hat die historischen und archäologischen Untersuchungen zur Flotte des Khubilai Khan begleitet und gibt in seinem Buch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den historischen Ereignissen wieder. Dabei führt er die Leser an die historischen Schauplätze an Land, taucht zu den erst im Laufe des letzten Jahrzehnts entdeckten Spuren der mongolischen Invasionsflotte und führt den Leser zurück in die Zeit des Khubilai Khan.
Khubilai Khans militärisches Desaster
Lebendig und anschaulich sind Delgados Schilderungen, der auch ein Portrait des mächtigen Mongolenherrschers zeichnet, das zum Verständnis der Motivation für die Invasionsversuche erheblich beiträgt. Am Ende ist es eben auch die Persönlichkeit Khubilai Khans, die, wie Delgado vermutet, zur Katastrophe der Invasionsflotten beigetragen hatte. Die Geschichte des Desasters ist in jedem Fall außerordentlich komplex und, soviel darf hier verraten werden, die Götter Japans und ihr Wind dürften für die mongolischen Invasionsflotten noch das geringste Problem gewesen sein.
Für die Invasionsversuche hatte Khubilai Khan gute Gründe, denn Japan mit seinen florierenden Seehäfen gehörte zu den Hauptunterstützern der von Khubilai so heftig bekämpften Sung- Chinesen, deren Thron des Mongolen wichtigstes Ziel darstellte. Und während Khubilai Khan die Sung an Land weiter und weiter zurückdrängte, war deren überseeische Versorgung und Nachschub über Japan weiterhin gesichert. Khubilai musste, so vermittelt Delgado nachvollziehbar, die Versorgungslinien abschneiden, um die sich zäh hinziehende Eroberung Chinas zu vollenden. Und mit seiner inzwischen mächtigen Flotte hatte der Mongole auch das Instrument dafür.
Uralte asiatische Schifffahrtstradition
Kubilai Khan konnte, einmal in China Fuß gefasst, auf eine weit über Tausend Jahre alte Chinesisch- Asiatische Schifffahrtsgeschichte zurückgreifen, mit einer Technologie, die bereits in den ersten Jahrhunderten nach unserer Zeitrechnung der europäischen Schiffbautradition weit überlegen war. In einem extra Kapitel widmet sich Delgado dem chinesisch- asiatischen Schiffbau und beschreibt die Dimensionen, und Konstruktionen der Chinesischen Schiffe. Metallpanzerung, Flammenwerfer, Sprengbomben und Katapulte, Kastellartige Aufbauten auf mehreren Decks und sogar Schaufelradantrieb machten die chinesische Marine zu einer furchterregenden Waffengattung. Und wasserdichte Schotten, eine Einrichtung, die in Europa erst mit dem Bau von Eisenschiffen, Ende des 19. Jahrhunderts erprobt worden war, machten sowohl Kriegs als auch Handelsschiffe zu ungemein hochseetüchtigen, fast unsinkbaren Fahrzeugen.
Mythos vom göttlichen Sturm
„Khubilai Khans Lost Fleet“ ist spannend. Das liegt nicht nur am sehr lebendigen Schreibstil, sondern auch in der Dramaturgie des Buches. Delgado entwickelt Kapitel für Kapitel das ganze Spektrum des für eine Einschätzung der tatsächlichen Invasionsereignisse notwendigen Hintergrundes. Erst in den letzten beiden Kapiteln kristallisiert sich das zum Teil unerwartete Ergebnis heraus. Und die Antwort auf die Fragen, warum sind die Invasionsversuche Khubilai Khans tatsächlich gescheitert, wie glaubwürdig sind die zeitgenössischen Berichte auch über die Flottengröße, ist wesentlich komplizierter, als der Mythos vom göttlichen Sturm
James Delgado: Khubilai Khan´s Lost Fleet. Bodley Head 2009. Taschenbuch, 225 Seiten.
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