Montag, 11. September 2017

Francesco Carletti: Reise um die Welt

Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz

Francesco Carletti, ein Kaufmann aus Florenz unternahm im Jahre 1594 eine Reise zu den Kapverdischen Inseln, die ihn schließlich um die ganze Welt führen sollte. Über Kolumbien, Peru und Mexiko gelangte er, immer auf der Suche nach profitablen Handelsmöglichkeiten, schließlich zu den Philippinen. Er besuchte Japan und China, um schließlich über Malakka, Goa und das Kap der Guten Hoffnung nach Europa zuzurückzusegeln. Geschäftlich war die Reise ein Desaster, durch seine Beschreibungen von Land und Leuten, hat er der Nachwelt in Form seiner Reiseerzählungen allerdings ein eindrucksvolles und aufschlussreiches historisches Dokument hinterlassen. Das hebt sich nicht nur durch seinen Blickwinkel auf spannende Weise von den bei uns wesentlich bekannteren Reisetagebüchern der Entdecker und Eroberer der frühen Neuzeit ab.

Bereits der Beginn der Reise liest sich ein wenig wie ein historischer Wirtschaftskrimi. Ausländern war es nämlich nicht erlaubt, auf eigene Rechnung und mit eigenen Schiffen Indien- oder Amerikahandel zu betreiben. Schließlich war die Welt unter den beiden iberischen Mächten aufgeteilt. So mieteten Vater und Sohn Carletti ein spanisches Schiff und versahen ihre Handelswaren mit Hilfe einer nach Sevilla eingeheirateten Pisanerin mit falschen Papieren. Um der Kontrolle der spanischen Behörden standzuhalten, heuerte Carletti Junior als Matrose gewissermaßen auf dem eigenen Schiff an, sein Vater gelangte als blinder Passagier an Bord.

Undercover in eigener Mission

Gerade einmal 72 Jahre nachdem die Victoria der Flotte Magellans mit ihrer Rückkehr nach Sanlúcar am 6. September des Jahres 1522 die erste Erdumrundung vollendet hatte, spannte sich bereits ein globales Verkehrs- und Handelsnetznetz über den Erdball. Es ist faszinierend zu lesen, wie der Kaufmann aus Florenz die von den Iberen eifersüchtig vor der europäischen Konkurrenz gehüteten und doch miteinander verknüpften Seehandelsrouten und Strukturen zu nutzen verstand, die jeweiligen Preise, Handelsspannen, Vorschriften, Gebühren und Absatzmärkte studierte, um an den lukrativen Kolonialgeschäften der im 16. Jahrhundert vorherrschenden Seemächte teilzuhaben. Und während es Carletti tatsächlich gelang, unter den Augen der Spanier und Portugiesen seine mehr oder weniger verdeckten Geschäfte zu betreiben, machten ihm am Ende ausgerechnet die aufstrebenden Holländer seinen geschäftlichen Erfolg streitig. Die Kaperten bei St Helena das portugiesische Schiff, mit dem Carletti nach dem Tod seines Vaters in Macao über das Kap der Guten Hoffnung nach Europa zurückkehren wollte.

Vom Sklavenhandel bis zum Geheimnis der Trinkschokolade

So landete der Kaufmann in den Niederlanden, wo er in jahrelangen Prozessen versuchte, seine konfiszierten Waren zurückzuerhalten. Dabei versicherte er sich der Unterstützung des Großherzogs Ferdinand de Medici, dem er, 1606 nahezu mittellos nach Florenz zurückgekehrt, ausführlich über seine Reise Bericht erstattete. Dieser Bericht, auf dem das vorliegende Buch basiert, gibt dem Leser einen lebendigen Eindruck von den Mühsalen frühneuzeitlicher Reisen aber auch dem europäischen und indigenen Leben in der Neuen Welt. Immer auf der Suche nach besonderen Waren und Handelsmöglichkeiten zeigte Carletti eine für die damalige Zeit erstaunlich unvoreingenommene Beobachtungsgabe. So berichtet er über indigene Sexualpraktiken auf den Philippinen, die martialische Kultur Japans, beschreibt genüsslich die Herstellung von Trinkschokolade in Mittelamerika oder schwärmt von der heilenden Wirkung des Tabaks. Sogar Asthma, so die damalige Meinung, sollte das Tabakrauchen heilen und verhüten. Während sich Carletti vom Kakao geradezu begeistert zeigt, kann er dem Tabakgenuss allerdings nichts abgewinnen.

Einer der schönsten Reiseberichte der frühen Neuzeit

Exotische Früchte, menschenverachtender Sklavenhandel, Klima, Parasiten, Logistik, Tier- und Pflanzenwelt, Kulturen, Kochrezepte: Einfach alles schien den florentiner Handelsreisenden zu interessieren. Und sicher wäre der unterhaltsam verfasste Bericht noch umfangreicher ausgefallen, wenn die Notizen Carlettis nicht im Rahmen der Kaperung durch die Holländer verlorengegangen wären. So hat der Kaufmann seine Erlebnisse, wie er betont, aus dem Gedächtnis rekonstruiert und sie dort, wo er keine persönlichen Erfahrungen gewinnen konnte, wie beispielsweise im Innern Chinas, um Informationen aus Büchern ergänzt. Reise um die Welt ist unterhaltsam und informativ gleichermaßen und gehört für mich zu einem der schönsten Reiseberichte der frühen Neuzeit.

Francesco Carletti: Reise um die Welt. Erlebnisse eines Kaufmanns aus Florenz. Edition Erdmann 2017. Gebunden mit Schutzumschlag, 319 Seiten.

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