Freitag, 4. November 2016

OCEANUM – Das maritime Magazin

Mit Band 1 von OCEANUM, dem jährlich erscheinenden maritimen Magazin bringt der gleichnamige Verlag eine neue Publikationsreihe auf den Markt. Im Editorial heißt es, dass hier Nostalgie auf Gegenwart trifft, historische Themen ebenso wie junge Entwicklungen und aktuelle Trends ihren Platz finden werden. Ob OCEANUM neben dem traditionellen maritimen Jahrbuch, Köhlers Flottenkalender, seinen Platz im Markt dieser Art der maritimen Literatur wird finden können, muss sich noch herausstellen. Derzeit ist es aus verschiedenen Gründen noch zu früh, hierzu eine seriöse Einschätzung abzugeben. Interessant ist das Erscheinen des neuen maritimen Magazins allemal.

Nach Editorial und Inhaltsverzeichnis beginnt das Magazin mit attraktiven doppelseitigen Bildimpressionen. Das letzte dieser Bilder bietet den Blick von der Brücke des Z5 der Bundesmarine auf den gischtüberströmten Bug, der sich in die mäßig schwere See bohrt. Mit diesem Eindruck steckt der Leser bereits in der ersten Geschichte, der des Zerstörers USS Dyson, der zu den sechs Veteranen der legendären Fletcherklasse gehörte, die vom ehemaligen Kriegsgegner USA an die im Aufbau befindliche Bundesmarine übergeben wurde. Ein gewisser  Rolf Michel war Mitglied der ersten Besatzung des Schiffes, sein Vater Ralf Michel war an Bord, als es an Griechenland abgegeben und außer Dienst gestellt wurde. 22 Jahre hatte die Z5 ihren Dienst in der Bundesmarine geleistet und diese Zeit wird durch die persönlichen Berichte und Eindrücke der beiden Seeleute wieder ein wenig zum Leben erweckt. Daneben recht ausführliche Informationen zur Geschichte der Fletcherklasse, deren ältester Vertreter bis zu seinem Ende immerhin rund 60 Jahre auf dem Buckel hatte. Und natürlich fehlt auch die Vita der USS Dyson nicht, die für ihre hervorragenden Leistungen im Pazifikkrieg 1945 mit elf Battle Stars ausgezeichnet wurde.

Spannende Geschichten aus den 50ern und 60ern

Der folgende Beitrag „Brandgefahr auf Ostseefähren?“ ist dann eher technischer Natur, zweifellos sehr interessant und informativ, bleibt aber die Antwort auf die etwas unglückliche Überschrift schuldig. Ebenfalls recht technisch aber thematisch originell ist die Geschichte des Gezeitenrechners der DDR und auch die Story über die Tradition des Tätowierens birgt so manche Überraschung. Überhaupt sind die Themen generell gut gewählt, und oft interessante Erlebnisberichte von Zeitgenossen, so auch die Geschichte „Mit der Moselstein in Shanghai“ in der der verstorbene Kapitän Eberhard Nölke die geradezu kafkaesken Besonderheiten bei der Abfertigung eines Schiffes im Shanghai der 50er und 60er Jahre. Nicht nur dieser Beitrag hat mit „Der Kapitän und seine Offiziere“ seine Quelle in einer Publikation des Oceanum-Verlages.

Havarien, Skandale und maritime Highlights

Tatsächlich hat die erste Ausgabe des Magazins seine  inhaltlichen Schwerpunkte in der Vergangenheit. Etwa wenn über die Flottenbesuche der DDR-Marine im Ausland berichtet, das Ende der legendären Hanseatic behandelt wird, spektakuläre Schiffsunglücke aufgegriffen werden oder beispielsweise die Geschichten der Deutschen Hilfskreuzer im zweiten Weltkrieg beschrieben werden. An Vieles erinnert sich der ältere Schiffsliebhaber noch, wie zum Beispiel an die unsäglichen Konstruktionsfehler bei der U-Boot-Klasse 202 oder auch die Reise des seegängigen Modellschiffs Bremen IV nach New York und anderes mehr. Trotzdem wird in den Aufsätzen nicht nur die Erinnerung mobilisiert und Bekanntes wiedergekäut, sondern durchaus auch neuere oder tiefergehende Informationen geliefert.

Guter Start, aber auch noch ein wenig Luft nach oben

Inhaltlich präsentiert sich das neue Magazin also hinsichtlich der Themen und ihrer Aufarbeitung, vor allem bei den historischen Themen als recht gelungen. Die versprochenen jungen Entwicklungen und aktuellen Trends sind derzeit noch verhältnismäßig sparsam vertreten und bislang wohl auch inhaltlich noch nicht so ganz die Stärke des Autorenteams. Auch bei der Magazinstruktur und der Typografie/Layout ist sicher noch ein wenig Luft nach oben. Grundsätzlich aber ein spannendes Projekt, das einerseits das programmatische Spektrum des Verlages wiedergibt es andererseits aber auch ergänzt. Es scheint so, dass sich der Verlag publizistisch ein wenig breiter aufstellen möchte als es bisher der Fall war. Dazu dürfte auch die in Zusammenhang mit dem Magazin angekündigte OCEANUM Dokumentation dienen, die für das Frühjahr 2017 mit dem ersten Band „Vom Decksjungen zum Matrosen“, Lebenserinnerungen von Wolfgang Bendick, angekündigt ist. Insgesamt sicher kein schlechter Start des Projektes.

Harald Focke/Tobias Gerken/Jörg M. Hormann (Hrsg.): OCEANUM. Das maritime Magazin. Oceanum Verlag 2016. Broschiert, 320 Seiten.

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