Der Name
Vasco da Gama ist uns vor allem mit der erstmaligen Umsegelung des Kaps der
Guten Hoffnung ein Begriff. Immerhin hat diese Leistung zunächst den Portugiesen,
später den europäischen Seemächten den Seeweg nach Indien eröffnet. Ausgerechnet
das bis zum Ende des 15. Jahrhunderts recht bedeutungslos am Rande der
europäischen Welt gelegene winzige Portugal hatte es geschafft, an den
etablierten Handelsmächten vorbei geradezu schlagartig zum Global Player zu
werden. In seinem Buch „Die Eroberer“ beschreibt Roger Crowly den gerade einmal
30-jährigen Prozess, von der ersten Kapumrundung da Gamas im Jahre 1497 bis zur
Errichtung des portugiesischen Weltreiches.
Es grenzt
nahezu an ein Wunder, dass es den portugiesischen Seefahrern und Fidalgos
(Landadel, Ritter) gelungen war, überhaupt Fuß in dem riesigen Gebiet des
indischen Ozeans mit ihren großen Reichen und Zivilisationen zu fassen. Denn
abgesehen von ihrer überlegenen Waffentechnik und ihrem nahezu größenwahnsinnigen
Sendungsbewusstsein verfügten die Eroberer über kaum etwas, mit dem sie die
regionalen Herrscher hätten beeindrucken können. Im Gegenteil, hinsichtlich
ihres Anspruches, den Ostindienhandel (mit Europa) an sich zu reißen, waren die
ersten Auftritte geradezu peinlich. So waren selbst die Gastgeschenke des
portugiesischen Königs den afrikanischen und
indischen Herrschern der Küsten keines Blickes würdig. Und zwischen der
offenen Handelskultur des hinduistisch-mohammedanisch geprägten Raumes und dem
Monopolanspruch der portugiesischen Christenwelt gab es zunächst keine
gemeinsame Ebene.
Der ostindische Kreuzzug
Und so war
Portugals Kampf um ein christliches Weltreich, das – durch die Vereinigung mit
dem sagenhaften Reich des ebenso sagenhaften Priesters Johannes - von
Westeuropa über Afrika bis nach Ostasien reichen sollte, geprägt, von
Massakern, Raubzügen gigantischen Ausmaßes, Mord und Zerstörung. Eigentlich
keine gute Grundlage für vertrauensvolle Handelsbeziehungen zu fremden Kulturen
und angesichts der gewaltigen maritimen Räume und angrenzenden Kontinente auch
nicht gerade für eine dauerhafte Herrschaft. Aber neben dem fanatischen Hass
auf die Muslime, der Gier nach Reichtum und Anerkennung, der unglaublichen
militärischen Disziplinlosigkeit der Fidalgos gab es auch noch eine andere
Seite, die die Portugiesen jener Zeit offensichtlich vor allen anderen
auszeichnete. Hartnäckigkeit, unermüdlicher Wille, Visionen und die
Bereitschaft zu Lernen. Schritt für Schritt hatten sich die portugiesischen
Seeleute im Auftrag des Königs zum Kap
vorgearbeitet. Und als der Weg nach Indien schließlich offenlag, entsandte
Manuel Flotte um Flotte mit detaillierten Befehlen an seine ostindischen
Gouverneure, um das fragile Gebilde portugiesischer Stützpunkte auszubauen und
militärisch abzusichern.
Mit Terror, Strategie und Glück zum
Weltreich
Es ist eine
Geschichte von persönlichen Eitelkeiten, kaltem Verstand, Skrupellosigkeit,
Intrigen, der Durchsetzungsfähigkeit weniger Persönlichkeiten, und einer Menge
Glück, die den Portugiesen nach rund 30 Jahren die rund 100 jährige
Vorherrschaft über den Handel zwischen Ostindien und Europa einbrachte. Die
Vernichtung der muslimischen Welt, die Errichtung eines christlichen
Weltreiches oder auch nur die Kontrolle des ostasiatischen Binnenhandels waren
von vornherein unerreichbare Ziele. Wie aber die Verfolgung dieser Ziele
letztendlich zum wirtschaftlichen Erfolg und zum Beginn der europäischen
Globalisierung geführt hat, schildert Roger Crowley auf der Basis
zeitgenössischer Berichte gewohnt anschaulich und kurzweilig. Der Autor eröffnet
dem Leser dabei ein Stück beeindruckender aber auch erschreckender europäischer
Geschichte, die in dieser Detailliertheit der Allgemeinheit bislang kaum
präsent ist.
Roger
Crowley: Die Eroberer. Portugals Kampf um ein Weltreich. Theiss 2016, Gebunden mit Schutzumschlag
431 Seiten
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