Die illustrierten Entdeckungsfahrten
1768 also vor 250 Jahren startete James
Cook mit der HMB Endeavour zur ersten seiner drei
Forschungsreisen in die Südsee. Der großformatige, reichhaltig
illustrierte Band Um die Welt mit James Cook vermittelt anhand
von Auszügen aus den Logbüchern und Reiseberichten die wesentlichen
Ereignisse und Herausforderungen, mit denen der Kapitän, die
Wissenschaftler und die Menschen bei der Konfrontation mit den
Naturgewalten aber auch den fremden Kulturen zu bewältigen hatten.
Eine interessante Textauswahl und
eindrucksvolle Illustrationen
Natürlich sind die Log- und Tagebücher
der Forschungsreisenden bereits seit Jahren in verschiedenen
Ausführungen, Zusammenstellungen und Übersetzungen im Buchhandel
erhältlich. Die vorliegende Ausgabe sollte also schon etwas
Besonderes sein. Tatsächlich finden sich in diesem bibliophilen
großformatigen Buch viele interessante Illustrationen beispielsweise
von Hodges oder Webber, die in den bisherigen Publikationen zu den
drei Forschungsreisen des James Cook eher Seltenheitswert haben. Und
natürlich ist es die Zusammenstellung der Textauszüge, die den
Leser auf besondere Aspekte der Forschungsreisen hinweisen. Etwa,
wenn der Schriftsteller John Hawkesworth unter Verwendung der
Tagebücher von Cook und dem Naturwissenschaftler Joseph Banks über
die Tragödie bei einem wissenschaftlichen Tagesausflug ins
Landesinnere in Tierra del Fuego berichtet, der zwei Todesopfer
forderte.
Zwischen Überlegenheitsgefühl und
Demut
Die sorgfältig ausgesuchten Texte
führen den Leser in die Probleme der Navigation und des
Schiffsalltags ein, lassen ihn an den Begegnungen mit fremden
Kulturen teilhaben und machen ihn auch mit den Vorstellungen und
Handlungsweisen der europäischen Entdecker vertraut. Da ist vom
Entsetzen über den Kannibalismus die Rede aber es werden auch
Versuche sichtbar, sich bei der Beurteilung der Sitten und Gebräuche
der indigenen Bevölkerungen über die eigenen moralischen
Vorstellungen hinwegzusetzen. Deutlich wird auch, dass sich das
technisch und moralisch begründete Überlegenheitsgefühl der
Europäer gelegentlich vor allem bei den aufgeschlossenen
Wissenschaftlern aber auch bei Cook relativiert, und einer gewissen
Nachdenklichkeit weicht. So zum Beispiel angesichts der Tahitischen
„Marine“ die Cook und seine Begleiter im Südwinter inspizieren
durften.
Das Management kulturellen
Unverständnisses
Besonderen Raum nimmt auch die
Berichterstattung über die Begegnungen mit den Maori ein. Es waren
komplexe und konfliktbeladene Beziehungen, die sich da zwischen den
Neuseeländern und den Europäern entwickelten. Da ist das Massaker
an der Bootsmannschaft der Aventure, dem Begleitschiff Cooks
auf der zweiten Reise zu nennen, aber auch der Umgang Cooks mit
diesem Ereignis. Der Kapitän verzichtete auf eine Bestrafung und
erntete damit Unverständnis sowohl bei seinen eigenen Leuten als
auch bei den Neuseeländern. Gegenseitiges kulturelles Unverständnis
prägt ohnehin die Beziehungen zwischen den Reisenden und den
zahlreichen indigenen Völkern, die Cook auf seinen Streifzügen
durch die Südsee antraf. Eben dieses Unverständnis führte neben
anderen Aspekten zum Tod des legendären Kapitäns, über den James
King, Leutnant auf der Adventurer berichtet.
Mit James Cook um den Südpol
Spannend ebenfalls, die Versuche Cooks,
den legendären Südkontinent zu entdecken. Stattdessen gelang es
ihm, dessen Nichtexistenz nachzuweisen und den Südpol zu umrunden.
Dabei faszinieren nicht nur die navigatorischen Leistungen sondern
auch die Überlegungen und Beobachtungen, die zu Cooks
Schlussfolgerungen geführt hatten. Gerade bei diesem Teil der
Expedition kann sich der Leser der Bewunderung für die Leistungen
des neuzeitlichen Entdeckers (und seiner Mannschaft!) kaum entziehen.
Zweistellige Minusgrade, Stürme, Eisberge, Packeis, es ist kaum
nachvollziehbar, wie das die Menschen auf den kleinen hölzernen
Schiffchen auszuhalten in der Lage waren. Immerhin mussten bei diesen
Witterungsbedingungen vereiste Segel gerefft, geborgen oder gesetzt
werden, die Position bestimmt, Wassertiefe gelotet und der normale
Bordbetrieb aufrecht gehalten werden.
Kein ungetrübtes Vergnügen
Alles in allem hat dieses Buch also
durchaus seine Existenzberechtigung unter den zahlreichen
Publikationen zum Thema. Allerdings ist an der einen oder anderen
Stelle eine gewisse Sorgfalt, die auch dem Text eines solchen Buches
angemessen wäre, zu vermissen. Bei Werken dieser Art scheint es
inzwischen wohl schon üblich, dass die Übersetzung zu wünschen
übrig lässt. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass der
Google-Übersetzer die Oberhand über den notwendigen sprachlichen
und inhaltlichen Sachverstand der Übersetzer gewonnen hat. Wie sonst
könnte es sein, dass - um nur zwei inhaltliche Beispiele zu nennen -
das Ankertau mit einer „Haspel“ eingeholt wird und die Männer
der Endeavour ständig sondieren statt zu loten, um die
Wassertiefe festzustellen. Aber auch die englische Originalausgabe
von 2016 scheint gewisse Schwächen aufzuweisen, die wohl leider
übernommen worden sind. So erscheint die Stadtansicht Batavias von
1780 tatsächlich seitenverkehrt, für mich mehr als nur ein
Schönheitsfehler.
Nicholas Thomas (Hrsg): Um die
Welt mit James Cook. Die illustrierten Entdeckungsfahrten.
WbgTheiss 2018. Gebunden mit Schutzumschlag, 320 Seiten.
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