Mit dem Buch „Young Nelsons“ über die Jungs und jungen Herren in der der Royal Navy des 18. Jahrhunderts hat Osprey eine spannende Dokumentation über die „Kindersoldaten“ der Royal Navy zur Zeit der Napoleonischen Kriege herausgebracht.
Dass das Buch des vielseitigen Historikers D.A.B. Ronald den Titel „Young Nelsons“ trägt, hat nicht nur etwas mit dem Bekanntheitsgrad des britischen Admirals zu tun. Wie kaum ein anderer hat Nelson den zahlreichen Schiffsjungen und jungen Herren als Vorbild für die Eigenschaften eines Offiziers der Royal Navy gedient. Und natürlich hat auch die Laufbahn Admiral Lord Nelsons in jungen Jahren auf den Zwischendecks der Schiffe der britischen Flotte begonnen.
Vom namenlosen Schiffsjungen zum jungen Nelson
Das Buch „Young Nelsons“ beginnt zunächst mit den namenlosen Schiffsjungen, die seit den Tagen des Sir Francis Drake nicht nur auf englischen Schiffen gedient hatten. Dienen ist dabei durchaus der richtige Begriff, denn Schiffsjungen, oft bereits im Alter von 10 Jahren an Bord, hatten Anfangs die Aufgabe, den Kapitänen und Offizieren als Diener zur Verfügung zu stehen, übrigens nicht nur auf Kriegs- sondern auch auf Handessschiffen. Detailliert beschreibt Ronald wie und warum sich aus der unbeachteten, weil am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala befindlichen Gruppe der Schiffsjungen, die Teenager-Helden von Nelsons Navy herausgebildet hatten.
Es begann mit dem steigenden Bedarf der wachsenden britischen sowohl Handels- als auch Kriegsflotte des 18. Jahrhunderts an jugendlichen Dienern, deren Zahl je nach Art und Größe des Schiffes in die dreistelligen Dimensionen gehen konnte. Um die Bedarfsdeckung kümmerte sich in jener Zeit die „Sociaty“, eine Art „Wohlfahrtsorganisation“, die sich zur Aufgabe gestellt hatte, die verdorbenen und kriminellen Straßenjungs auf den rechten Weg zu führen. Nach einer zielgerichteten Ausbildung und Ausstattung mit Kleidung wurden diese „Galgenvögel“ an Bord von Schiffen vermittelt, je nach Eignung als Diener, oder als Matrosenazubis.
Prinz William Henry auf der „Prince George“
Durch die Arbeit der Sociaty und ihre sorgfältige Buchführung traten die „Kinder der Seefahrt“ erstmals aus der Anonymität der Geschichte heraus und erhielten Namen, Gesichter, Eigenschaften und Lebensgeschichten. Die Dokumente der Sociaty bilden eine der Grundlagen des Buches „Young Nelsons“. Der Autor hat aber auch in den durchaus zahlreichen anderen Quellen, wie Tagebücher und Briefwechsel der Schiffsjungen und jungen Herrschaften recherchiert und nicht zuletzt geben auch Briefe und Berichte der Kapitäne, der Admiralität, Logbücher und das „Naval Chronicle“ Auskunft über Leben und Werdegang der maritimen Kindersoldaten. Außerordentlich komplex und vielseitig ist die Geschichte der jungen Nelsons, die nicht zuletzt in der Tatsache begründet ist, dass der englische König Georg III. seinen dritten Sohn, den 13- jährigen Prinz William Henry 1779 statt zur Armee zur Ausbildung auf das Linienschiff „Price George“ geschickt hatte. Die Royal Navy wurde damit auch für die Sprösslinge des britischen Adels salonfähig.
Nelson, Lady Hamilton und Napoleon
Die ganze Welt der Royal Navy zur Zeit der napoleonischen Kriege breitet sich vor dem geistigen Auge des Lesers bei der Lektüre der „Young Nelsons“ aus. Authentisch ist das Buch nicht nur wegen der zahlreich zitierten Dokumente aus der Feder der Schiffsjungen und Offiziersanwärter, der maritimen Schulmeister und natürlich auch Nelsons selbst. Da werden die je nach gesellschaftlicher Schicht und Flottenbedarf recht unterschiedliche Art der Rekrutierung, die ersten Schritte der Jungen an Bord, die kleine Welt an Bord zwischen Mobbing, Einführungsritualen, Meuterei, Bestrafung und Protektion beschrieben. Historische und gesellschaftliche Hintergründe werden aus ungewohnten Blickwinkeln beleuchtet und die Feuertaufen, darunter die Schlacht vom Nil, selbstverständlich Trafalgar oder der britisch- amerikanische Krieg von 1812 werfen aus den Erfahrungsberichten der Midshipmen und Schiffsjungen heraus ein teilweise ganz neues Licht auf die scheinbar bekannten Ereignisse. Selbstverständlich dürfen auch die „Familienangelegenheiten“ Nelsons, Lady Hamilton oder Napoleon auf der Belleophon nicht fehlen.
Vorwort von Alexander Kent
Sehr lebendig, sehr systematisch und sehr authentisch aufgebaut stellt das englischsprachige Buch „Young Nelsons“ nicht nur für die Liebhaber der Romane über Bolitho, Hornblower und Co. ein Lesevergnügen dar. Man möchte das Buch am liebsten vor seinem Ende gar nicht mehr aus der Hand legen. Es sei denn, die teilweise etwas altmodische Sprache, die vielen Redewendungen, die gelegentlich ungewohnten, eher umgangssprachlichen Begriffe und besonders in den ersten Kapiteln die unglaublich langen Sätze machen dem deutschen Leser Schwierigkeiten und verlangen nach Erholungspausen. Aber genau diese sprachliche Mischung macht letztendlich die Authentizität des Buches aus, das der Autor der Bolitho-Romane, Alexander Kent in seinem Vorwort zu „Young Nelsons“ zu recht als „akribisch recherchiert“ bezeichnet.
D.A.B. Ronald: Young Nelsons – Boy Sailors during the Napoleonic Wars. Osprey Publishing 2009. Gebunden mit Schutzumschlag, 320 Seiten.
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