Dienstag, 14. April 2015

The Royal Navy – a history since 1900

Ein Buch aus der Reihe “A History of the Royal Navy”

Cover Royal1900Als sich die Royal Navy mit 165 Schiffen der Home Fleet am 26. Juni 1897 anlässlich des 60. Regierungsjubiläums von Queen Victoria in Portsmouth präsentierte, war das eine wohl einmalige öffentliche zur Schau Stellung britischer Seemacht. Mit gerade einmal knapp 80 Schiffen muss die Britische Marine heute ihre weltweiten Aufgaben erledigen. Dass das nicht nur Ergebnis der Entwicklung modernster Waffentechnologien, sondern auch politischer Hintergründe und veränderter strategischer Ausrichtungen ist, entwickeln die Autoren Duncan Redford und Philip D. Grove in ihrem Buch „The Royal Navy – a history since 1900.

Mit dem grandiosen Sieg der Royal Navy in der Schlacht von Trafalgar war Großbritannien zur unangefochtenen Seemacht auf den Weltmeeren geworden. Nicht zuletzt war die gewaltige und von der Öffentlichkeit gefeierte Flottenparade anlässlich des diamantenen Regierungsjubiläums von Queen Victoria ein Ergebnis der damals rund 92 Jahre zurückliegenden Seeschlacht. Die nämlich hatte den Weg für einen nahezu ungestörten britischen Welthandel geöffnet und dem Land mehr als ein Jahrhundert Sicherheit vor Invasionen beschert. Voller Stolz berichteten die britischen Medien, dass für die maritime Machtdemonstration vor Portsmouth nicht ein einziges Schiff der Mittelmeerflotte oder der Überseegeschwader in die Heimat zurückbeordert werden musste. Zudem bestanden die Kampfschiffe der Homefleet aus modernsten Einheiten.

Der technologische Wettlauf

Technologisch überholte sich die Royal Navy seit Mitte des 19. Jahrhunderts regelmäßig selbst. War es 1860 das revolutionäre eiserne Panzerschiff HMS Warrior, das die Schiffe der damaligen Flotten von einem Tag zum anderen entwertete, dokumentierte die vergleichsweise winzige „Turbinia“, die zwischen den mächtigen Schlachtschiffen der Jubiläumsparade herumraste die technische Dynamik der Industrialisierung. Als 1906 das Schlachtschiff „HMS Dreadnought“ vom Stapel lief, verfügte es nicht nur über den Turbinenantrieb der „Turbinia“, sondern auch über neueste Waffen und Panzertechnik und ein Grundkonzept, das für alle folgenden Schlachtschiffbauten des 20. Jahrhunderts maßgeblich sein sollte. Wieder waren die zu jener Zeit modernsten Kriegsschiffe auf einen Schlag militärisch entwertet, wieder musste die britische Flotte von Grund auf modernisiert werden. Diesmal im Wettrüsten mit alten Gegnern wie Frankreich und aufstrebenden Konkurrenten wie Deutschland.

Der Konkurrenzkampf der Waffengattungen

Zwei Weltkriege hatte die Royal Navy siegreich überstanden, nach 1945 war die Royal Navy allerdings nicht mehr die größte Seemacht auf der Welt. Diese Rolle hatten nun die Amerikaner übernommen. Der Kalte Krieg und die völlig veränderten globalen Machtverhältnisse lieferte neue Herausforderungen für die britische Marine. Die musste sich im politischen Gerangel zwischen den Waffengattungen – vor allem im Verhältnis zur Royal Air Force – immer wieder behaupten und ihre besondere Bedeutung für die Sicherheit Großbritanniens unter Beweis stellen. Ungeachtet der politischen Wertschätzung der Royal Navy, wurden die Aufgaben, die sie im Rahmen der zahlreichen Konflikte - von Korea über den Nahen Osten bis zu den Falklands – zu bewältigen hatte, nicht weniger. Die strategische Ausrichtung und damit auch Struktur und Größe der Navy änderte sich je nach „Großwetterlage“ und der politischen Positionierung Großbritanniens im Weltgeschehen.

Die Royal Navy als politisches Instrument

An diesen Faktoren orientieren sich auch die Kapitel des Buches, das mit den letzten Jahren der Pax Britannica am Ende des 19. Jahrhunderts beginnt. Ausführlich werden die poltisch-strategischen Hintergründe der Ereignisse des Ersten Weltkriegs, die Ab- und Aufrüstung in der Zeit zwischen den Weltkriegen, die Schauplätze des zweiten Weltkrieges in Europa, im Atlantik, im Mittelmeer und dem Fernen Osten dargestellt. Die Aufteilung der navy-relevanten Ereignisse des kalten Krieges in eine Phase vor 1964 und eine nach 1964 hat nicht nur mit Weltereignissen wie Vietnamkrieg, dem Sturz Chruschtschows oder dem Anspruch Frankreichs zu einer von den USA unabhängigen Atommacht zu werden zu tun, sondern vor allem mit dem Regierungswechsel in Großbritannien und der strategischen Orientierung der neuen Labourregierung nach Europa. Nach dem Ende des Kalten Krieges fand die Royal Navy mit dem Krieg gegen den Terror und den damit verbundenen Einsätzen in Afghanistan oder im Nahen Osten neue Aufgaben, in die sie bis heute eingebunden ist. In der öffentlichen Wahrnehmung hat die Marine in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts allerdings deutlich verloren. Afghanistan, Golf-Krieg, Irak werden vor allem als Landkriege und Angelegenheit von Armee und Luftwaffe begriffen. Diese Einschätzung könnte – wie die Autoren feststellen – kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein. Immerhin die Hälfte aller Einsatzkräfte im Afghanistan-Krieg seien von der Navy gestellt worden. Das gelte für die Luftgeschwader, die Marinesoldaten, Logistik, medizinische Versorgung und andere Dienste.

Auf Modernisierungskurs ins 21. Jahrhundert

Haushaltskürzungen, öffentliche Wahrnehmung, politische Einschätzungen haben die Royal Navy zu dem gemacht, was sie heute ist: Eine sehr effektive Streitkraft, der es derzeit jedoch noch an wesentlichen Komponenten zur Erfüllung ihrer weltweiten Aufgaben mangelt. So wurde der letzte britische Flugzeugträger HMS Illustrious im August 2014 außer Dienst gestellt, die Marineflugzeuge waren bereits 2006 ausgemustert worden. Der Bereits für die Jahre 2010, 2012 vorgesehene Ersatz soll in Form von zwei hochmodernen Flugzeugträgern mit dem neuentwickelten Kampfjet F-35 Lightning II zum Ende der zweiten Dekade dieses Jahrtausends zur dann mit seinen neuen Zerstörer- und Fregattentypen wieder hochmodernen britischen Marine stoßen. Zweifellos ist das Buch aus der Sicht und Interessenlage der Royal Navy geschrieben, die Kriege und Einsätze werden nicht hinsichtlich ihres Sinns hinterfragt oder bewertet. Sicherlich ist das auch nicht die Aufgabe dieses Buches, das vor allem den deutschen Leser interessante Einblicke in die Hintergründe der britischen Marinepolitik und des Selbstverständnisses dieser Teilstreitkraft bietet.

Duncan Redford, Philip D. Grove: The Royal Navy. A history since 1900. I.B. Tauris 2014. Gebunden mit Schutzumschlag, 370 Seiten.

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