Bereits seit der Antike ist die Donau einer der wichtigsten europäischen Wasserwege, der Kulturen miteinander verband oder auch trennte. Das Buch informiert über die Entwicklung der Habsburger Ruderkriegsschiffe auf der Donau, von den kleinen Chalouppen um 1530 bis zu den Canonierbarquen des 19. Jahrhunderts.
Der sagenhafte Jason ruderte auf der Jagd nach dem Goldenen Vlies über die Donau vom Schwarzen Meer bis in die Adria, die Römer bewachten den Grenzfluss Donau mit ihren schnellen Ruderschiffen, den Lusoriae, gegen die Germanen und die Osmanen sicherten 1529 ihren Vormarsch auf Wien vom kurz zuvor eroberten Belgrad mit zahlreichen kleinen und wendigen Kriegsschiffen, denen die Habsburger nichts entgegenzusetzen hatten.
Habsburgische Tschaiken versus türkische Nasseren
Die Vernichtung des Maximilianischen Kriegsschiffsarsenals im Rahmen der türkischen Belagerung Wiens, so zeigt Kurt Schäfer in seinem Buch „Nasseren, Tschaiken, Canonierbarquen“, hatte nicht nur zu einer Verlegung des Arsenals an den Oberlauf der Donau geführt. Als Antwort auf die türkischen als „Nasseren“ bezeichneten Ruderkriegsschiffe, folgte auch ein kontinuierliches Flottenbauprogramm der Habsburger, in dessen Rahmen sich die im Laufe der Jahrhunderte ständig weiterentwickelten sogenannten „Tschaiken“ als die den komplizierten Fahrbedingungen auf der Donau am besten angepassten Kriegsfahrzeuge herausstellten.
Die 300 jährige Evolution der Tschaike
Die Entwicklung der Tschaiken von relativ einfachen, kleinen flachbodigen, 9 – 11 Meter langen, Zille-artigen Ruderbooten bis hin zu den zweimastigen, mit schweren Geschützen bestückten rund 30 Meter langen geruderten Canonierbarquen ist ein schiffsbaugeschichtlich hochkomplexes Thema. Verschiedene Schiffbautraditionen lassen sich hier ebenso vermuten, wie interessante technische Reaktionen auf hinsichtlich des praktischen Einsatzes auf der Donau festgestellte Mängel. Der vielseitige Ingenieur, Schiffbauhistoriker und Modellbauer, Kurt Schäfer, hat mit seinem Buch „Nassern, Tschaiken, Canonierbarquen“ ein Kapitel der Schifffahrtsgeschichte aufgeschlagen und bearbeitet über das es bislang nur wenig Informationen gab. Umfangreiche Recherchen vor dem Hintergrund teils schwieriger Quellenlage waren für die Darstellungen und zeichnerischen Rekonstruktionen ebenso notwendig, wie zum ausführlich beschriebenen und dokumentierten Bau des Modells einer Halb-Tschaike von 1771, das der Autor im Auftrag des Schifffahrtsmuseums Spitz/Donau angefertigt hatte.
Historisches Lehrbuch zum Bau von Tschaiken
Ein besonderer Leckerbissen für Modellbauer und historische Schiffe- Enthusiasten ist neben den zahlreichen anschaulichen Schiffsrissen, Konstruktionszeichnungen, dreidimensionalen Auf- und Querschnitten vor allem das Kapitel „Tschaiken und Canonierbarquen nach Lehrbuch des Titler Grenz-Csaikisten Baon, 1819“. Sowohl die Entstehung und die Quellen dieses Lehrbuchs, das auf der Basis der Pläne des Venezianischen Schiffskonstrukteurs Moro von einer 1817 in Titel zusammengetretenen Kommission 1819 zusammengefasst wurde, als auch der Inhalt sind Gegenstand von Schäfers umfassenden Ausführungen. Da geht es um mit zeitgenössischen Plänen und zahlreichen Zeichnungen illustrierte Techniken des Anreißens und Messens, um Zimmerertechniken, Stapellauf, detaillierte Beschreibungen von Schiffsteilen, Konstruktionszeichnungen von Geschützen und Drehlafetten, Werkzeugen, Kalfatertechniken, Takelungsdetails, Dimensionen, Proportionen und Vieles andere mehr, was zu den handwerklichen Ausführungen beim Tschaiken- und Canonierbarquen- Bau gehört.
Grandl, Kehr- und Brechruder
„Nassern, Tschaiken, Canonierbarquen“ ist der zweite Band einer 4 beziehungsweise 5-teiligen Buchserie zum Thema historische Donau-Schifffahrt, die etwa 30 Jahre Forschung des Autors umfasst. Eine Fülle an Material wurde hier verarbeitet und die Präsentation des Themas ist sehr strukturiert und konzentriert. So strukturiert, dass letztendlich auf nahezu keiner Seite ein Lesefluss aufkommen kann und dass ein sehr konzentriertes Lesen jeder Zeile für das Verständnis des jeweils Folgenden zwingend notwendig ist.
Und trotzdem ist das Verstehen selbst bei konzentriertem Lesen und bei soliden Kenntnissen des historischen Schiffbaus zumindest für nicht-Österreicher gelegentlich ein wenig mühsam. Denn die Fachterminologie springt immer wieder zwischen österreichischem Sprachgebrauch den allgemeingültigen Deutschsprachigen Begriffen und den österreichisch geprägten historischen Bezeichnungen hin und her. Als ein Beispiel sei hier das „Grandl“ - Bug, Vordersteven, Galion - genannt, dessen Übersetzung erst spät verraten wird. Die eingeklammerten Übersetzungen erscheinen recht willkürlich, kommen manchmal ein wenig spät oder sind gelegentlich auch überflüssig. Eine einigermaßen einheitliche Terminologie wäre hier sicherlich hilfreich gewesen.
Ein Juwel der Schifffahrtsgeschichte
Letztendlich ist „Nassern, Tschaiken, Canonierbarquen“ eher eine hochinteressante kommentierte Materialsammlung und historische Dokumentation denn ein populärwissenschaftliches „Lesebuch“, das sollte man vor dem Kauf wissen. Vom Kauf abhalten sollte das den historischen Schiffsmodellbauer und engagierten Fan von Schifffahrtsgeschichte jedoch keineswegs. Dies nicht nur deshalb, weil die Literaturhinweise am Ende des Buches zeigen, dass es bislang zu diesem spannenden Thema gar keine Alternative gibt, wohl aber weitergehenden Forschungsbedarf.
Kurt Schäfer: Nassern, Tschaken, Canonierbarquen. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien 2008. Hardcover, 128 Seiten.
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