„Schon die
Römer . . . “, so fangen viele Gästeführer ihre Geschichten an, um die
Bedeutung eines Ortes oder einer Region zu untermauern. In Zusammenhang mit der
Mosel ist diese Aussage jedoch alles andere als lediglich ein werbeträchtiger
Spruch phantasieloser Tourismusmanager. Heute ist die Mosel nach dem Rhein die zweitwichtigste Schifffahrtsstraße
Deutschlands. Aber bereits lange bevor die französisch-luxemburgisch-deutsche Großschifffahrtsstraße
im Jahre 1964 offiziell eröffnet wurde, spielte der Fluss, der in den Vogesen
entspringt und bei Koblenz im Rhein mündet, eine wesentliche politische,
wirtschaftliche und kulturelle Rolle bei seinen Anrainern.
Es dürften
tatsächlich die Römer gewesen sein, die die Mosel erstmals als überregionale
Wasserstraße in ihr wirtschaftliches und strategisches Kalkül gezogen haben. Und
so beginnt auch das erste Kapitel des Katalogs zur Ausstellung „2000 Jahre
Schifffahrt auf der Mosel“* in der Antike. Neben Reliefs auf Grabmalen wie der
Igeler Säule oder den Neumagenern mit den Darstellungen von Weinschiffen,
weisen auch schriftliche Quellen aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten
auf eine systematische gallo-römische Erschließung und Nutzung der Mosel und ihrer
Nebenflüsse hin. Immerhin, über die Mosel konnten die wichtigen Versorgungsgüter
für die Legionen am Rhein und in Germanien aus den Kornkammern der gallischen
Provinz herangeschafft werden.
Die Mosel
war aber auch zur Römerzeit keine Einbahnstraße. Tonnenschwere Werksteine, Blei
und andere Güter fanden ihren Weg aus der germanischen Provinz moselaufwärz nach
Gallien und in den Mittelmeerraum.
Güter- und Personenschifffahrt vom
Mittelalter bis zur frühen Neuzeit
Infolge der
fränkischen Landnahme im 5. und 6. Jahrhundert veränderten sich die Strukturen
die für die Nutzung der Mosel maßgeblich waren, grundlegend. Klöster und Stifte,
Residenzen und Abteien zur Verwaltung der fränkischen Reiche und Fürstentümer
sorgten für einen Aufschwung der Moselschifffahrt. Die Schiffe transportierten
nicht nur Salz, Baumaterialien und nicht zuletzt Wein, sondern auch Personen,
vor allem fränkische Herrscher samt Hofstaat bei ihren Inspektionsreisen durch
das Reich. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung entwickelte sich ein städtisches
Bürgertum mit einflussreichen Kaufleute- und Schiffervereinigungen. Die
üblichen Schiffsländen wurden in den zentralen Warenumschlagsplätzen durch
Hafenanlagen mit Piers und Lastkranen ersetzt und ein kompliziertes Zollwesen
entstand. Das wurde schließlich selbst zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor und
zum Gegenstand und Instrument politischer Machtkämpfe und Handelskriege.
Marktboote und Treidelknechte
Mit seinen
Aufsätzen zu den Moselzöllen, den Hafenkranen und den behandelten Einzelthemen
in den Kapiteln „Güterschifffahrt“, „Personenschifffahrt“, „Schiffleute“ und schließlich
„Die moderne Moselschifffahrt seit 1964“ stellt sich der Katalog als spannendes
und hochinformatives Grundlagenwerk zur Geschichte der mitteleuropäischen
Flussschiffahrt heraus. Denn neben den speziellen Aspekten, die die Geschichte
des Einzugsbereich der Mosel betreffen, finden sich viele Gemeinsamkeiten mit
der Schifffahrt auf anderen großen Flüssen, wie beispielsweise der Weser/Werra.
Zwar hat offensichtlich jeder Fluss seine eigenen Schiffstypen hervorgebracht –
auf der Mosel seien hier neben den spektakulären kurfürstlichen Leibjachten
auch die Marktschiffe genannt – die Fortbewegungsart durch Treideln, Staaken
oder – je nach Flussbeschaffenheit - auch Segeln hat sich aber nicht wesentlich
voneinander unterschieden. So ist beispielsweise auch von der Werra/Weser
bekannt, dass die Schiffe im Dreierverband (mit dem größten Schiff an der
Spitze) flussaufwärts gezogen wurden. Interessant dabei Organisation, Technik
und Zuständigkeiten für den möglichst reibungslosen „zu Berg“- Verkehr. Das ist
mit Blick auf die Mosel im wahrsten Sinne des Wortes ein Kapitel für sich.
Die vielen Facetten eines „Flussbetriebes“
Vieles darf
selbst der halbwegs mit dem Thema Flussschiffahrt vertraute Leser in diesem
Buch für sich neu entdecken – übrigens auch bei den abgebildeten und
kommentierten Exponaten In Form von Gemälden, Fotos, Modellen oder Dokumenten.
Eine wahre Fundgrube. Das gilt natürlich auch für die Abschnitte zur
Moseldampfschifffahrt und oder das Kapitel „Schiffsleute“ mit dem Untertitel „Die
sich mit den Schiffen auf dem Wasser ernähren“. Bei der Lektüre wird deutlich, wie
wenig im Vergleich zur Seeschifffahrt über das Leben und die Arbeit der Binnenschiffsleute
allgemein bekannt ist.
Mit der
Geschichte der modernen Moselschifffahrt von den ersten Ausbauprojekten seit
1773 und dem sogenannten Moselvertrag (1956) bis zur heutigen Nutzung sowie einer
angehängten Zeittafel endet das kompakt aber verständlich geschriebene Buch mit
den unzähligen Facetten. Der Katalog unterscheidet sich wohltuend von anderen
Publikationsprojekten, deren Anlass das Jubiläum eines politisch und
international bedeutenden Projektes ist. Trotz unzähliger Kooperationspartner
lediglich ein kurzes Grußwort, bevor es mit einer knapp dreiseitigen Einführung
ohne die oft übliche Selbstdarstellung politischer Entscheidungsträger in medias
res geht. Dieses großformatige Buch dürfte das Zeug zu einem Standardwerk zum
Thema haben.
Bernd
Röder/Bärbel Schulte/Karl-Heinz Zimmer (Hg): 2000 Jahre Schifffahrt auf der
Mosel. Vom römischen Transportweg zum einenden Band Europas. Schnell &
Steiner 2014. Gebunden 431 Seiten.
*Die Ausstellung wurde vom 18. Mai 2014 bis
1. März 2015 im Stadtmuseum Simonstift Trier gezeigt. Anlass war der 50. Jahrestag
der Eröffnung der Mosel als Großschifffahrtsstraße im Mai 1964.
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