Montag, 27. April 2015

2000 Jahre Schifffahrt auf der Mosel

Vom römischen Transportweg zum einenden Band Europas

„Schon die Römer . . . “, so fangen viele Gästeführer ihre Geschichten an, um die Bedeutung eines Ortes oder einer Region zu untermauern. In Zusammenhang mit der Mosel ist diese Aussage jedoch alles andere als lediglich ein werbeträchtiger Spruch phantasieloser Tourismusmanager. Heute ist die Mosel nach  dem Rhein die zweitwichtigste Schifffahrtsstraße Deutschlands. Aber bereits lange bevor die französisch-luxemburgisch-deutsche Großschifffahrtsstraße im Jahre 1964 offiziell eröffnet wurde, spielte der Fluss, der in den Vogesen entspringt und bei Koblenz im Rhein mündet, eine wesentliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Rolle bei seinen Anrainern.


Es dürften tatsächlich die Römer gewesen sein, die die Mosel erstmals als überregionale Wasserstraße in ihr wirtschaftliches und strategisches Kalkül gezogen haben. Und so beginnt auch das erste Kapitel des Katalogs zur Ausstellung „2000 Jahre Schifffahrt auf der Mosel“* in der Antike. Neben Reliefs auf Grabmalen wie der Igeler Säule oder den Neumagenern mit den Darstellungen von Weinschiffen, weisen auch schriftliche Quellen aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten auf eine systematische gallo-römische Erschließung und Nutzung der Mosel und ihrer Nebenflüsse hin. Immerhin, über die Mosel konnten die wichtigen Versorgungsgüter für die Legionen am Rhein und in Germanien aus den Kornkammern der gallischen Provinz herangeschafft werden.
Die Mosel war aber auch zur Römerzeit keine Einbahnstraße. Tonnenschwere Werksteine, Blei und andere Güter fanden ihren Weg aus der germanischen Provinz moselaufwärz nach Gallien und in den Mittelmeerraum.

Güter- und Personenschifffahrt vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit

Infolge der fränkischen Landnahme im 5. und 6. Jahrhundert veränderten sich die Strukturen die für die Nutzung der Mosel maßgeblich waren, grundlegend. Klöster und Stifte, Residenzen und Abteien zur Verwaltung der fränkischen Reiche und Fürstentümer sorgten für einen Aufschwung der Moselschifffahrt. Die Schiffe transportierten nicht nur Salz, Baumaterialien und nicht zuletzt Wein, sondern auch Personen, vor allem fränkische Herrscher samt Hofstaat bei ihren Inspektionsreisen durch das Reich. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung entwickelte sich ein städtisches Bürgertum mit einflussreichen Kaufleute- und Schiffervereinigungen. Die üblichen Schiffsländen wurden in den zentralen Warenumschlagsplätzen durch Hafenanlagen mit Piers und Lastkranen ersetzt und ein kompliziertes Zollwesen entstand. Das wurde schließlich selbst zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor und zum Gegenstand und Instrument politischer Machtkämpfe und Handelskriege.

Marktboote und Treidelknechte

Mit seinen Aufsätzen zu den Moselzöllen, den Hafenkranen und den behandelten Einzelthemen in den Kapiteln „Güterschifffahrt“, „Personenschifffahrt“, „Schiffleute“ und schließlich „Die moderne Moselschifffahrt seit 1964“ stellt sich der Katalog als spannendes und hochinformatives Grundlagenwerk zur Geschichte der mitteleuropäischen Flussschiffahrt heraus. Denn neben den speziellen Aspekten, die die Geschichte des Einzugsbereich der Mosel betreffen, finden sich viele Gemeinsamkeiten mit der Schifffahrt auf anderen großen Flüssen, wie beispielsweise der Weser/Werra. Zwar hat offensichtlich jeder Fluss seine eigenen Schiffstypen hervorgebracht – auf der Mosel seien hier neben den spektakulären kurfürstlichen Leibjachten auch die Marktschiffe genannt – die Fortbewegungsart durch Treideln, Staaken oder – je nach Flussbeschaffenheit - auch Segeln hat sich aber nicht wesentlich voneinander unterschieden. So ist beispielsweise auch von der Werra/Weser bekannt, dass die Schiffe im Dreierverband (mit dem größten Schiff an der Spitze) flussaufwärts gezogen wurden. Interessant dabei Organisation, Technik und Zuständigkeiten für den möglichst reibungslosen „zu Berg“- Verkehr. Das ist mit Blick auf die Mosel im wahrsten Sinne des Wortes ein Kapitel für sich.

Die vielen Facetten eines „Flussbetriebes“

Vieles darf selbst der halbwegs mit dem Thema Flussschiffahrt vertraute Leser in diesem Buch für sich neu entdecken – übrigens auch bei den abgebildeten und kommentierten Exponaten In Form von Gemälden, Fotos, Modellen oder Dokumenten. Eine wahre Fundgrube. Das gilt natürlich auch für die Abschnitte zur Moseldampfschifffahrt und oder das Kapitel „Schiffsleute“ mit dem Untertitel „Die sich mit den Schiffen auf dem Wasser ernähren“. Bei der Lektüre wird deutlich, wie wenig im Vergleich zur Seeschifffahrt über das Leben und die Arbeit der Binnenschiffsleute allgemein bekannt ist.
Mit der Geschichte der modernen Moselschifffahrt von den ersten Ausbauprojekten seit 1773 und dem sogenannten Moselvertrag (1956) bis zur heutigen Nutzung sowie einer angehängten Zeittafel endet das kompakt aber verständlich geschriebene Buch mit den unzähligen Facetten. Der Katalog unterscheidet sich wohltuend von anderen Publikationsprojekten, deren Anlass das Jubiläum eines politisch und international bedeutenden Projektes ist. Trotz unzähliger Kooperationspartner lediglich ein kurzes Grußwort, bevor es mit einer knapp dreiseitigen Einführung ohne die oft übliche Selbstdarstellung politischer Entscheidungsträger in medias res geht. Dieses großformatige Buch dürfte das Zeug zu einem Standardwerk zum Thema haben.

Bernd Röder/Bärbel Schulte/Karl-Heinz Zimmer (Hg): 2000 Jahre Schifffahrt auf der Mosel. Vom römischen Transportweg zum einenden Band Europas. Schnell & Steiner 2014. Gebunden 431 Seiten.

*Die Ausstellung wurde vom 18. Mai 2014 bis 1. März 2015 im Stadtmuseum Simonstift Trier gezeigt. Anlass war der 50. Jahrestag der Eröffnung der Mosel als Großschifffahrtsstraße im Mai 1964.

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