Salvatore Bono, schreibt in seinem Buch „Piraten und Korsaren im Mittelmeer“ über Seekrieg, Handel und Sklaverei vom 16. bis 19. Jahrhundert. Der Autor gilt als einer der besten Kenner der Geschichte des Mittelmeers und des Maghrebraums.
Eine umfassende und detaillierte Darstellung des Piraten- und Korsarentums im Mittelmeer vom 16. bis 19. Jahrhundert bietet die Neuerscheinung „Piraten und Korsaren im Mittelmeer“ aus dem Klett-Cotta Verlag. Der inzwischen emeritierte Professor für die Neuere Geschichte des Mittelmeerraums an der Fakultät für Politische Wissenschaften an der Universität Perugia, Salvatore Bono, liefert mit seinem Buch eine Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes zu diesem Thema. Dabei ist das Buch bei allem wissenschaftlichen Hintergrund stilistisch recht einfach und gut verständlich geschrieben und bietet vor allem Lesern mit relativ wenig Vorkenntnissen zu diesem speziellen Thema zahlreiche Informationen und durchaus auch Überraschungen.
Muslimische Piraten und christliche Korsaren
So stellt Bono dar, dass es nicht nur die muslimischen Türken oder Barbaresken waren, die im Auftrag der muslimischen Küstenstaaten raubend und mordend durch das Mittelmeer segelten und die Christenheit bedrohten. Auch christliche Seefahrer, allen voran die Ritterorden wie Malteser- oder Stephansritter betrieben das lukrative Geschäft der staatlich sanktionierten Beutezüge.
Alle Seiten setzen Korsaren - also mit einem Kaperbrief versehene Seeleute ein - um den jeweiligen Gegnern Schaden zuzufügen. Dabei ging es nicht nur um den Kampf zwischen Christen und Moslems. Zum Islam konvertierte Christen plünderten die Küsten Italiens oder Spaniens, die Barbareskenstaaten paktierten mit den Franzosen gegen christliche Gegner Frankreichs, die Venezianer wiederum schlossen Handelsabkommen und Pakte mit den Türken. Letztendlich waren die Korsaren aller Seiten Instrumente und Faktoren der Machtpolitik, der Wirtschaft und des Krieges.
Die Regeln der Kaperei
Keineswegs ungeregelt waren die Überfälle auf Schiffe und Küsten des Mittelmeeres, es gab Gesetze und Konventionen, die nicht nur festlegten, wer welche Schiffe Kapern und wer welche Menschen versklaven durfte. Geregelt war auch die Verteilung der Beute unter den Korsaren und ihrer Mannschaft und den Ausstellern des jeweiligen Kaperbriefes. Zwischen den christlichen Staaten und den Barbaresken und Türken gab es wie Bono in „Piraten und Korsaren im Mittelmeer“ immer wieder an Zitaten zeitgenössischer Quellen aufzeigt, hinsichtlich Organisation, Struktur, Regeln und Verhalten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Dies gilt auch für die Tatsache, dass natürlich die internationalen Konventionen angesichts des lukrativen Korsarengeschäfts und der Schwierigkeit der unabhängigen Kontrolle von Raubzügen von den Akteuren nicht immer befolgt wurden.
Aber immerhin gab es für diese Fälle Gerichte, vor denen die Opfer Klage erheben konnten, wenn sie glaubten, zu Unrecht beraubt worden zu sein.
Sklaven als rechtsfähige Personen
Bono beschränkt sich in seinen Ausführungen zu Seekrieg, Handel und Sklaverei vom 16. bis 19. Jahrhundert aber nicht nur auf die Beschreibung und Dokumentation von Strukturen, Ereignissen und Geschichte. Thema ist bei ihm auch der Alltag der Akteure, sei es als Korsar oder Opfer, Rollen, die sich übrigens schnell umkehren konnten.
Sehr interessant der Aspekt der Sklaverei, die keineswegs mit der antiken Wirtschaftsform oder der amerikanischen Südstaatensklaverei gleichzusetzen ist. Sklaven hatten durchaus Rechte, und wenn sie nicht gerade als Rudersklaven oder zu anderer Schwerstarbeit eingesetzt waren, konnten sie sogar ein recht auskömmliches Leben führen und sich durch eigene Arbeit die Mittel verdienen, um sich nach einigen Jahren freizukaufen. Immerhin waren die erbeuteten Menschen in erster Linie Geiseln, deren Wert vor allem im Erzielen von Lösegeldern bestand.
Salvatore Bono lässt keinen wichtigen Aspekt zum Thema aus, er behandelt neben der Entstehung und dem Ende der Barbareskenstaaten und der christlichen Korsaren auch die Zahl und Ausstattung der Flotten und Mannschaften, Die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord. Die Überfälle auf die europäischen Küsten werden ebenso aufgelistet wie die Landungen der Ritterorden an den muslimischen Küsten. Verteidigungsstrategien und nicht zuletzt die Kaperei als Wirtschaftsfaktor, als Bestandteil des Seehandels runden die Ausführungen Salvatore Bonos ab.
aktueller Forschungsstand zu Seekrieg, Handel und Sklaverei
Mit dem Vorwort und zusammenfassenden Überblick des Botschafters a.D. Ekkehard Eickhoff ist das Buch eine runde Sache. Die gelegentlich ein wenig ermüdenden Aufzählungen von Aktionen und Ereignissen, und die etwas sperrige Gliederungsstruktur, die ab und zu irritierende Wiederholungen zur Folge hat, macht die Lektüre mancher Kapitel ein wenig mühsam und wird dem eigentlich spannenden Inhalt nicht immer gerecht.
Trotzdem: nimmt man das umfangreiche Literaturverzeichnis hinzu, so dürfte „Piraten und Korsaren im Mittelmeer“ wohl die kompletteste Arbeit zum Thema Seekrieg, Handel und Sklaverei vom 16. bis 19. Jahrhundert im Mittelmeer darstellen.
Immerhin basiert das Buch auf der 1993 erstmals erschienenen italienischen Ausgabe, die Bono nach eigenen Angaben vollständig überarbeitet und für die vorliegende deutsche Ausgabe auf den Forschungsstand von 2008 gebracht hat. Aktueller geht’s kaum noch.
Salvatore Bono: Piraten und Korsaren im Mittelmeer, Seekrieg, Handel und Sklaverei vom 16. bis 19. Jahrhundert. Klett-Cotta 2009. Gebunden mit Schutzumschlag, 320 Seiten.
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