Hochkarätige Archäologen zeichnen im Buch „Es war einmal ein Schiff“ mit ihren Aufsätzen ein ungewöhnliches Bild der nordwesteuropäischen Schifffahrtsgeschichte. Dabei führen der Titel und die Abbildung des schwedischen Flaggschiffes Vasa auf dem Umschlag des Buches führen zunächst einmal in die Irre.
Denn es geht gar nicht um die Geschichte, die Hebung und Konservierung des nationalen Wahrzeichens Schwedens. Diesem Teil der meeresarchäologischen Geschichte ist mit gerade einmal 34 Seiten eines der kürzesten Kapitel des Buches gewidmet. Die 13 Autoren des immer passend bebilderten Buches schlagen vielmehr einen Bogen von den archäologischen Spuren der frühesten Seefahrt im nordwesteuropäischen Raum über die Nordseeexpeditionen der römischen Flotten bis zur Ausgrabung der Behring- Expedition im Jahre 1991.
Dabei wird selbstverständlich über die Schiffsdarstellungen des Nordens in der Bronzezeit, über Haithabu, das Nydam- oder Hjortspringboot, natürlich die Koggenfunde und eben auch über die Vasa geschrieben. Wer aber beim Blick in das Inhaltsverzeichnis nun glaubt, es handelt sich bei dem Buch um die zusammenfassende Wiedergabe der bekannten meeresarchäologischen Glanzlichter der beschriebenen Region, der hat sich zum zweiten mal geirrt.
Jäger und Fischer der Ertebollekultur
Der erste berechtigte Verdacht, es könne sich bei dem Buch um etwas sehr viel Interessanteres handeln als man auf den ersten Blick vermuten durfte, kommt schon bei der Lektüre des Vorwortes. Und wenn man beginnt, den ersten Beitrag mit dem Thema Lebensraum Meeresküste, Steinzeitliche Jäger und Fischer der Ertebollekultur, zu lesen, dann wird deutlich: es geht nicht um die Präsentation möglichst spektakulärer Funde, sondern um Archäologie, um Methoden, Rahmenbedingungen, Interpretationen, Schlussfolgerungen.
Den Fund einer für den Laien unscheinbaren Harpunenspitze, nimmt beispielsweise die Autorin Sönke Hartz zum Anlass, vor dem Leser eine ganze Steinzeitkultur, und ihre Auseinandersetzung mit der Umwelt zu entwickeln. Ausgrabungsmethoden, die Veränderung der Küstenlandschaften, die besonderen Bedingungen des Wattenmeeres, Art und Bedeutung von Leitfunden und nicht zuletzt die immer solide begründete, sehr plastische Beschreibung des Lebens unserer steinzeitlichen Vorfahren, zieht den Leser von der ersten Zeile an in andere Welten.
Es ist nicht nur die Welt unserer Vorfahren, in die die Autoren den Leser eintauchen lassen. Man ist auch immer wieder irgendwie, wenn auch nur beobachtender, Teil der jeweiligen archäologischen Teams.
Norwegische Schiffshäuser und mittelalterliche Hafenanlagen
Es war einmal ein Schiff ist ein Buch der Überraschungen. Als Interessierter Leser kennt man natürlich viele Fundorte, Themen und Funde. Aber immer bevor einem die Geschichte allzu vertraut wird, überraschen die Autoren mit neuen Erkenntnissen, Sichtwesen und Forschungsergebnissen. Und schließlich wird man mit Beiträgen konfrontiert, die einem auch als interessierter Laie in der Literatur nicht so häufig begegnen. Als Beispiele seien hier Kapitel wie „Norwegische Schiffshäuser, Schlüsselfunde der Sozial- und Schifffahrtsgeschichte“ oder „Schiff, Hafen, Stadt, Mittelalterliche Hafenanlagen in Nordeuropa“ angeführt.
Wussten Sie übrigens, dass die Vasa im Stockholmer Museum seit Jahren droht, in sich zusammenzubrechen und von Schwefelsäure zersetzt zu werden? Ja, wie das Titelbild erwarten lässt, ist dann tatsächlich auch noch vom schwedischen Flaggschiff die Rede. In diesem Kapitel wird übrigens auch damit aufgeräumt, was bislang als sichere Erkenntnis für die Unglücksursache galt.
Ärchäologen als Autoren
Man merkt, dass die Autoren erfahrene Archäologen sind sehr genau wissen, wovon sie reden und dass sie mit Sicherheit nicht durch publikumswirksame Spekulationen ihren Ruf aufs Spiel zu setzen bereit sind.
Trotzdem sind die Aussagen konkret und der Stil ist lebendig. Die Autoren sind eben nicht nur anerkannte Fachleute auf ihren jeweiligen Spezialgebieten, sondern auch Publikationserfahren.
Claus von Carnap-Bornheim und Christian Radtke: Es war einmal ein Schiff, Archäologische Expeditionen zum Meer, marevuchberlag 2007, gebundene Ausgabe, 359 Seiten.
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