Mittwoch, 18. Mai 2016

Gefahr auf See - Piraten in der Antike

Bei dem Wort Piraten fallen uns heute vor allem die Helden aus dem Film Fluch der Karibik ein. Geschichtsbewusstere denken noch an den mittelalterlichen Störtebecker und seine Vitalienbrüder und als zeitgenössische Variante wären da noch die maritimen Räuberbanden an der Küste Somalias zu nennen. Die reale Piraterie hat über die Zeiten hinweg eines gemeinsam: Die Grenzen zwischen schlichtem Raub, Handel und Seekrieg waren und sind fließend. So war es auch in der Antike, deren besondere Ausprägungen im Wechselspiel von Wirtschaft und Politik Heidrun Derks in ihrem Buch Gefahr auf See untersucht.

Berichte über Seeräuber finden sich bereits im zweiten vorchristlichen Jahrtausend in der Korrespondenz zwischen den Großmächten jener Zeit. Darin ging es um Überfälle auf Küstenorte und Häfen deren Urheberschaft sich die Mächtigen gegenseitig bezichtigten. Beliebte Beute hierbei waren Luxusgüter und Menschen. Dabei, so betont die Autorin, waren es genau diese Güter, die die Gruppe der potenziellen Seeräuber beschränkten: „Nur wer zur herrschenden Elite gehörte, konnte sich mit Raubgut schmücken, die erbeuteten Rohstoffe verwenden, verschenken oder verkaufen und die geraubten Menschen […] auf den Sklavenmärkten anbieten oder verkaufen.“
Tatsächlich waren Beschaffungskriege fester Bestandteil der antiken Wirtschaft. Raubzüge  der kriegerischen Eliten zu Lande und zur See galten als Heldentaten und ehrenhaft, Piraten waren immer die anderen.

Das Mittelmeer, ein besonderer Kulturraum

Und so begegnen einem in dem Buch Persönlichkeiten, die in scheinbar unterschiedlicher Funktion von sich Reden machten. Zum einen als wohlhabende Herrscher, erfolgreiche Kaufleute und eben auch als Seeräuber, dessen Dienste samt umfangreicher Flotten von jeweils zahlungskräftiger Seite in Anspruch genommen wurden. Die professionelle Seeräuberei benötigt allerdings besondere Rahmenbedingungen. Da sind für den Absatz der geraubten Waren und Personen die entsprechenden Märkte notwendig, es muss  ausreichend lukrative Beute vorhanden sein, die den enormen Aufwand rechtfertigt, den die Piraterie (abgesehen von der Gelegenheitspiraterie verarmter Küstenbewohner) erfordert. Und nicht zuletzt müssen die geographischen und politischen Strukturen (Stichworte Machtvakuum, Konkurrenz verschiedener Machtzentren etc.) vorhanden sein, die ein positives Kosten-Nutzen- Verhältnis des riskanten Geschäftes erlauben.

Rahmenbedingungen für Piraterie

Heidrun Derks beschreibt vor allem die Entwicklung dieser Rahmenbedingungen im Mittelmeer vom 3. vorchristlichen Jahrtausend bis zur Zeitenwende. Das beginnt mit der geologischen und klimatischen Vorstellung des Mittelmeeres, thematisiert die Anfänge der Piraterie mit dem Aufkommen der Hochkulturen und Palaststaaten  im Osten, die Entwicklung des Schiffsbaus und des Seeverkehrs bis zum „Sturm der Seevölker“.  Mit den Phöniziern wird dann ein neues Kapitel der Kulturgeschichte der antiken Seefahrt des Mittelmeerraumes aufgeschlagen, das den Leser schließlich auch auf die Spur der unternehmungslustigen Griechen der homerischen Welt führt. Sicher nicht zufällig leitet sich das Wort Pirat aus dem Griechischen Begriff peiran ab, das soviel bedeutet wie erproben, suchen oder wagen. Peira steht für Wagnis, Unternehmen und Überfall und neben leistes und kataponistes benennt peirates den Räuber und Plünderer auf See.

Seeräuber, Staatsmänner und Söldner in Personalunion

Ein besseres Verständnis des komplexem Phänomens der Piraterie vermittelt Heidrun Derks im Kapitel „Mehr Piraten?“ unter dem Aspekt „Mein Recht … oder: Der andre war’s“.  Hier beschreibt die Autorin die Rechtsauffassung der griechischen Welt im Umgang mit Seeraub. Beispielhaft für die Ambivalenz zwischen Krieg und Seeraub werden hier auch Persönlichkeiten wie Polykrates, Charidemos und einige andere historische Persönlichkeiten vorgestellt, die mal als Seeräuber, Staatsmänner oder Söldner agierten. Gerne bedienten sich auch die Römer und Karthager in ihrem mediterranen Machtkampf der Flotten der berüchtigten kilikischen Seeräuber, die unter der Führung des Kleinasiatischen Königs und Romfeindes Mithridates schließlich selbst zu einem maritimen Machtfaktor wurden, was u.a. den großen Kampf der Römer gegen die kilikischen Piraten zur Folge hatte.

Ein kulturgeschichtlicher Abriss der antiken Seefahrt des Mittelmeers

Gefahr auf See ist weniger ein Buch über antike Piraten als vielmehr eine maritime Kulturgeschichte des Mittelmeerraumes der Bronzezeit und Antike, so wie es der Klappentext auch verspricht. Es beinhaltet interessante Aspekte zur Piraterie und vermittelt – gerade weil sie die das gesamte Thema eher skizziert als umfassend behandelt - die ungeheure Dynamik, die den mediterranen Kulturraum im Betrachtungszeitraum auszeichnet. Eine interessante Lektüre, die allerdings eingefleischten Seefahrtshistorikern nicht viel Neues bringt.

Heidrun Derks: Gefahr auf See. Piraten in der Antike. Theiss 2016. Gebunden 112 Seiten.

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