Samstag, 4. April 2015

Rezension: Die Weltumsegelung der Novara

Covers3 001Forschung, Diplomatie, Handelskontakte und seemännische Ausbildung waren die Aufgaben der österreichischen Novara-Expedition, bei der Weltumsegelung 1857 - 1859. Das Buch beschreibt eine vielschichtige Mission in politisch unruhigen und komplizierten Zeiten.

Kompliziert waren die Verhältnisse der Zeit, in die die Aufsehen erregende wissenschaftliche Expedition der österreichischen Fregatte Novara fiel, nicht nur in Österreich. Die Welt befand sich im Umbruch. Die Industrielle Revolution und damit verbunden die Veränderungen in den gesellschaftlichen, politischen Macht- und internationalen Kräfteverhältnissen, war weltweit in vollem Gange. Die weißen Flecken auf der Landkarte waren durch die zahllosen Entdeckungsreisen der europäischen Staaten in den vergangenen Jahrhunderten immer weniger geworden, der Aufstand in Indien, der Konflikt in China oder der Krieg zwischen Österreich und Sardinien-Piemont fanden sich in den Schlagzeilen der Presse wieder. 

Novara zeigt weltweit Flagge

Die Autorin des Buches „Die Weltumsegelung der Novara 1857 – 1859“, Renate Basch-Ritter, zeichnet in den ersten drei Kapiteln ein interessantes Bild der Welt um 1850 aus der Perspektive des damaligen Österreich. Dabei werden nicht nur die Weltereignisse im Spiegel der österreichischen Presse dargestellt, sondern auch die heute weitgehend in Vergessenheit geratene Rolle Österreichs als - wenn auch vergleichsweise bescheidener - „global player“ in Erinnerung zurück gerufen. Mit der anspruchsvollen Novara-Expedition wollte die in Bedrängnis geratene habsburgische Großmacht nun wieder weltweit Flagge zeigen.

Das österreichische Venedig und die Schlacht bei Lissa

Dem Expeditionsschiff, der Fregatte Novara, widmet Basch- Ritter in den Einführungskapiteln ebenfalls einige Aufmerksamkeit. Dabei beschränkt sich die Autorin nicht nur auf Erscheinungsbild und Ausrüstung des Forschungsfahrzeugs. Die Geschichte der Novara wird gleichzeitig zur Geschichte der kaiserlich-königlichen Marine. Immerhin war das Schiff ab 1843 noch im kaiserlichen Zentralhafen Venedig gebaut worden, hatte – immer noch im Bau- die 48er Revolution, die Niederschlagung der Lombardo-Venezianischen Unabgängigkeitsbestrebungen durch Radetzky miterlebt, und nach der Weltumsegelung, nun zu einer Damffregatte umgebaut, 1866 an der Seeschlacht bei Lissa teilgenommen.

Karl von Scherzer, zwischen Diplomatie und Wissenschaftt

Im Kapitel „Die Männer der Novara“ begegnen dem Leser schließlich die Hauptakteure der politisch- ökonomisch- wissenschaftlichen Expedition. Auch die Präsentation dieser illustren Gesellschaft von Seeoffizieren und Wissenschaftlern aller gängigen Disziplinen bietet einen schönen Einblick in die damaligen gesellschaftlichen Strukturen. Der Leser lernt die Forscher aber nicht nur durch die jeweilige Karrierebeschreibung, sondern vor allem über ihre Rolle und Aktivitäten im Rahmen der anschaulich beschriebenen Expeditionsvorbereitung kennen. Basch-Ritter kann hier aus dem Vollen schöpfen, denn Hauptgrundlage ihres Buches ist der umfangreiche Reisebericht des wissenschaftlichen Expeditionsleiters Dr. Karl von Scherzer, der ebenfalls sehr erfolgreich mit den diplomatischen Aufgaben der Expedition betraut worden war.

Die Novara- Expedition und die Sammlungen

Bei der Beschreibung der einzelnen Stationen der Expedition, die ebenso wie die umfangreichen Vorbereitungen von langen Zitaten aus Scherzers Reisebericht belebt wird, macht sich ohnehin zunächst der Eindruck breit, es habe sich vor allem um eine diplomatische Reise gehandelt. Regierungsempfänge hier, Vortragsveranstaltungen und Einladungen von Wissenschaftlichen Instituten dort und zwischendurch ein wenig zum Sammeln und Beobachten in die Natur, natürlich unter gut organisierter Führung jeweils einheimischer Wissenschaftler. Tatsächlich wird bei der Lektüre bald deutlich, dass das Sammeln, die Bestandsaufnahme der ganzen Welt, das Beobachten, Messen und Aufzeichnen mehr noch als das Entdecken im Vordergrund des wissenschaftlichen Teils der Weltumsegelung stand. Und so beschreibt Scherzer denn auch, wie er Münzen aus aller Welt ankauft, wissenschaftliche Bücher ersteht, ganze, bereits vorhandene Sammlungen, beispielsweise von Menschenschädeln an Bord der Novara verfrachtet und Zeitungen von der anderen Seite der Welt archiviert. 

Forschungsaufträge aus aller Welt

Ganze Auftragslisten ihrer zu Hause gebliebenen Kollegen hatten die Weltreisenden abzuarbeiten, darunter befanden sich übrigens auch Wünsche des greisen Alexander von Humboldt. Und auch, wenn die Beschreibungen manchmal den Eindruck erwecken, auf der Expedition seien eher Salonlöwen denn „Außendienst-taugliche“ Persönlichkeiten gefragt, sowohl die umfangreichen Forschungsergebnisse, die nach der Rückkehr der Novara publiziert wurden, als auch konkrete Unternehmungen sprechen eine andere Sprache. Da war beispielsweise die Erforschung der Inselgruppe der Nikobaren oder der britisch- chinesische Opiumkrieg, in den die Expedition verwickelt wurde. Nicht zuletzt die immerhin neun monatige „Ausleihe“ des Geologen Ferdinand von Hochstetter durch den Neuseeländischen Gouverneur zur Erforschung der Insel nach Kohlevorkommen dokumentiert das wissenschaftliche Niveau der Expedition.

Die Publikation der Weltumsegelung der Novara

Das Kapitel „Resultate der Expedition“ schließlich zeigt die gewaltige Fülle der erfassten Informationen, Erkenntnisse und Sammlungen, deren 18 bändige wissenschaftliche Publikation Basch-Ritter hier strukturiert vorstellt. Ein echter Publikumserfolg wurde übrigens vor allem die dreibändige Ausgabe von Scherzers „Reise“, die nicht nur ins Englische und Italienische übersetzt worden war, sondern auch Niederschlag in Jules Vernes „Die Kinder des Kapitän Grant“ und „Die geheimnisvolle Insel“ gefunden hatte. Dokumente der Expedition beispielsweise zu Krankheiten, Bemannungsstand oder Lebensmittel und Vorräte, bilden den Anhang des schön illustrierten und durch Infokästen mit historischen oder persönlichen Hintergründen zum jeweiligen Kapitel ergänzten Buches. Literaturverzeichnis und Hinweise auf Internet-Seiten laden zum Weiterforschen ein. Und das Register ist ebenso wie die beigelegte historische Kurskarte bei diesem weltumspannenden Thema ebenfalls sehr hilfreich. „Die Weltumsegelung der Novara“ vermittelt dem Leser letztendlich ein komplexes Bild der Welt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, wie er es in dieser Form nur selten geboten bekommt.

Renate Basch-Ritter: Die Weltumsegelung der Novara 1857-1859. ADEVA 2008, Hardcover. 263 Seiten.

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